Russlands revolutionäre Panzer rollen

T-14
T-14 "Armata" in Moskau(c) APA/EPA/MAXIM SHIPENKOV
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Im Vorfeld der Militärparade am 9. Mai in Moskau hat die russische Armee ihre brandneue Panzerserie "Armata" enthüllt. Die Fahrzeuge, darunter der Kampfpanzer "T-14", sollen westlichen Modellen überlegen sein.

Bereits im März 2014 hatte „Die Presse“ berichtet, dass Russland an einer völlig neuen, technisch revolutionären Panzer-Serie namens „Armata“ feile. Nun, wenige Tage vor der großen Parade in Moskau am 9. Mai zum Jahrestag des Sieges über Deutschland im Zweiten Weltkrieg, ist die Sensation perfekt: Bereits am Dienstagabend und am Mittwoch rollten die ersten Vorserienmodelle der neuen Panzer zusammen mit herkömmlichen Fahrzeugen der russischen Armee in Moskau ein, um sich für die angeblich größte Parade in Moskau seit vielen Jahrzehnten zu sammeln - siehe ein Video am Ende dieser Geschichte.

Der Hersteller der Armata-Serie, der Schwerindustriekonzern "Uralwagonsawod" mit Sitz in der 360.000-Einwohner-Stadt Nischni Tagil im Bezirk Swerdlowsk im Ural, arbeitet seit 2009 an den neuen Fahrzeugen. Sowohl für den russischen als auch den internationalen Panzerbau bedeutet Armata (das ist der Plural des griechischen Worts für "Streitwagen") einen Schritt in eine neue Panzergeneration, und es ist abzusehen, dass sich ein westliches Nachrüsten gerade vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen dem Westen und Russland, der Ukrainekrise und der seit Jahrzehnten anhaltenden De-Militarisierung im Westen, primär in EU-Europa, kaum vermeiden lassen wird.

Eine historische Seltenheit

Überhaupt sind neue Panzerentwicklungen, konkret bei Kampfpanzern, überaus selten, ja seltener als der Bau neuer Kampfflugzeuge: Alle heute aktiven Kampfpanzer sind ungeachtet vieler zwischenzeitlicher Kampfwertsteigerungen in ihrer Grundstruktur mindestens mehrere Jahrzehnte alt. Der deutsche „Leopard 2" etwa wird seit 1979 in Serie gebaut, der amerikanische M-1 „Abrams" etwa seit 1980, der französische „Leclerc" seit 1991, der „Challenger 2" der Briten seit 1994 und Italiens „Ariete" seit 1995. Der aktuell modernste russische Kampfpanzer, der T-90 von Uralwagonsawod, wird seit 1992/93 ausgeliefert.

Eine Besonderheit ist die Gestaltung des Armata-Systems an sich: Die Russen haben ein einheitliches Grunddesign geschaffen, das Basis einer kompletten Fahrzeugserie ist, die auch Schützenpanzer, Panzerartillerie, Flammenwerfer, Flugabwehrpanzer, Bergepanzer und so fort umfasst. Weil all diese Fahrzeuge das (weitgehend) gleiche Fahrgestell haben, werden Produktion und Wartung erleichtert und verbilligt. Armata läuft daher auch unter dem Namen „Universelle Kampfplattform".

Das Flaggschiff: Der T-14

Das „Flaggschiff" von Armata ist der Kampfpanzer „T-14" (zuvor hatte er als „T-99" firmiert). Der Name ist leicht verwirrend, insinuiert er doch etwa gegenüber dem T-90 und anderen Modellen wie T-72 oder T-80 einen Rückschritt – zudem gab es interessanterweise schon einmal einen T-14, das war ein US-britisches Co-Projekt im Zweiten Weltkrieg, das nie zur Serienreife gelangte.

Ein T-14; an den Aussparungen am Turm erkennt man, dass dort wohl noch Systeme, etwa Bordkanonen, hingehören.
Ein T-14; an den Aussparungen am Turm erkennt man, dass dort wohl noch Systeme, etwa Bordkanonen, hingehören.Wikipedia/Weinsteinalex
T-14
T-14Screenshot

Doch wie dem auch sei: Auf den Bildern und Videos aus Moskau erkannt man ein für russische Verhältnisse eigenartig klobiges, ja schachtelartiges Gefährt, das durchaus Züge etwa des britischen Challenger und des Leclerc der Franzosen aufweist und deutlich größer als seine Vorgänger ist. Naturgemäß sind nicht alle Details im Westen definitiv bekannt, doch der aktuelle Stand ist: Der T-14 wiegt um die 55 Tonnen (das Chassis hält angeblich 65 Tonnen aus, was weitere Modifikationen ermöglicht), der Motor ist ein 1500-PS-Diesel von Chelyabinsk, die Geschwindigkeit soll 80 bis 90 km/h betragen (das dürfte übertrieben sein, realistischer sind etwa 75 km/h), die Reichweite mehr als 500 Kilometer.

Beste Panzerkanone der Welt?

Als Hauptwaffe dient eine neu entwickelte 125-Millimeter-Glattrohrkanone mit 32 Schuss im automatischen Lader, die auch Panzerabwehrraketen verfeuern soll. Weitere Munition befindet sich in einem separaten Magazin. Die Feuerreichweite wird auf fünf bis acht Kilometer geschätzt und durch den automatischen Lader soll eine Kadenz von zehn bis zwölf Schuss pro Minute möglich sein. Vor allem soll die Kanone Modell „2A82“ die stärkste, am härtesten Zuschlagende der Welt sein: Aus russischen Fachkreisen heißt es, dass sie die Feuerkraft der aktuell besten Panzerkanone, der deutschen „L/55", Kaliber 120 Millimeter von Rheinmetall, gemessen an der Mündungsenergie klar übertrifft, nämlich um 17 Prozent.

Die L/55 ist zur Zeit etwa im Leopard 2 Version A6 in der Bundeswehr sowie in Leoparden etwa der spanischen, griechischen, kanadischen und finnischen Armee eingebaut. Laut Bundeswehr hat sie eine Durchschlagsleistung von 810 mm reinem Panzerstahl auf 2000 Meter Entfernung.

Kampfpanzer Leopard 2 A6 im scharfen Schuss
Kampfpanzer Leopard 2 A6 im scharfen SchussBundeswehr

Die bei westlichen Panzermodellen verbreitetste Kanone ist übrigens die etwas kürzere und schwächere 120-mm-Rheinmetall „L/44“ - die Zahl bedeutet die Kaliberlänge, die Kanone ist also 44 mal 120 mm lang, sprich 5,28 Meter. Die L/44 ist nicht nur in den meisten Varianten des Leopard, sondern etwa auch im Abrams und im japanischen „Typ 90“ montiert und somit in vielen weiteren Staaten verbreitet.

Ferngesteuerter Turm

Es sind aber vor allem andere Eigenheiten, die den T-14 zu etwas Besonderem machen. Erstens die Turmkonstruktion: In diesem bei allen Kampfpanzern zentralen Modul sitzen üblicherweise zwei bis drei Besatzungsmitglieder (Kommandant, Richtschütze und seltener ein Ladeschütze); der Turm des T-14 aber ist unbemannt und wird samt Kanone und Maschinengewehr (in früheren Skizzen war zusätzlich u. a. eine 30-mm-Maschinenkanone am Turm seitlich montiert zu sehen) von der Crew ferngesteuert. Die Crew nämlich sitzt in der Wanne des Panzers in einer Art gepanzerter Kapsel oder Kasematte an der Vorderseite.

Durch an der Außenseite verstreute Kameras hat die Besatzung – drei Mann, es sollen aber zwei ausreichen - eine 360-Grad-Rundumsicht. Schon allein durch diese Architektur, die an sich schon vor vielen Jahrzehnten im Westen (USA, Deutschland) überlegt, aber nie umgesetzt wurde, ist der Schutz der Insassen deutlich erhöht, sie sitzen nicht im exponierten Turm, sondern sozusagen in einem Panzer innerhalb eines Panzers.

Ältere Skizze mit Daten zum T-14
Ältere Skizze mit Daten zum T-14OE Watch

Und dieser Panzer verfügt – zweitens – offenbar über eine besonders hochentwickelte Hülle. Näheres dazu, etwa zur Stärke der Panzerschichten und der verwendeten Materialen ist nicht bekannt (neben Spezialstahl kommen in modernen Panzerungen etwa auch Wolfram, Weichmetalle, Keramik, Magnesit, Gummi und sogar Hohlräume zum Einsatz, siehe diese Geschichte, vor allem im letzten Drittel).

Auffällig an den gezeigten T-14 in Moskau sind aber dicke seitliche Zusatzpanzerungen („Schürzen“), die wohl eine Reaktivpanzerung enthalten: Das sind kachel- oder ziegelartige Elemente, die auf bestimmte Weise auf einen Einschlag reagieren. Etwa, indem sie explodieren und dem Geschoss entgegenwirken, oder, indem sie sich quasi aufblasen wie ein Airbag.

Doch nicht genug: Der T-14 soll auch ein aktives Schutzsystem gegen Panzerabwehrraketen und andere Geschosse haben, es firmiert unter dem Namen „Afganit“ und war bzw. ist im Bereich unterhalb des Turms zu erkennen. Solche Systeme funktionieren mit Annäherungsensoren und schleudern Geschossen etwa Splitterwolken und Explosivladungen entgegen, es könnte beim T-14 auch das Turm-MG automatisch gesteuert in die Abwehr integriert sein; in früheren Skizzen sah man gar eine sechsläufige Gatling-Kanone am Turm, die wäre dafür besonders geeignet.

Älteres (Propaganda?)-Modell des T-14 mit lateralen Maschinenkanonen
Älteres (Propaganda?)-Modell des T-14 mit lateralen MaschinenkanonenYoutube

An der Hinterseite seitlich des T-14, im Bereich des Motorblocks, waren in Moskau überdies Gitterschürzen zu sehen: In ihnen sollen sich primär langsam fliegende Hohlladungsgeschosse von Panzerfäusten verfangen und damit zu früh oder gar nicht zünden. Insgesamt schätzen Beobachter, dass momentan kein anderer Kampfpanzer (bzw. dessen Insassen) so gut geschützt ist wie dieses neue russische Gerät.

Gerüchten zufolge könnte für den T-14 sogar eine Kanone Kaliber 152 mm angedacht sein. Das scheint zwar unwahrscheinlich und es könnte sich um eine Verwechslung mit der ebenfalls neuen Panzerhaubitze (siehe unten) handeln - es wäre aber in diesem Fall die mit Abstand am schwersten zuschlagende Panzerkanone der Welt (Nato-Standard sind 120 mm).

Ein gepanzertes "Krokodil"

Vergleichbares gab es bisher nur im Zweiten Weltkrieg, etwa den russischen Kliment-Woroschilow-2, eine Art fahrender Artilleriebunker, der mäßig erfolgreich war, und den ebenfalls sowjetrussischen ISU-152, der aber ein Sturmgeschütz bzw. eine Panzerhaubitze war und keinen drehbaren Turm wie ein regulärer Kampfpanzer besaß.

Es war einmal: von Deutschen erbeuteter Kliment-Woroschilow-2, Juni 1941
Es war einmal: von Deutschen erbeuteter Kliment-Woroschilow-2, Juni 1941Bundesarchiv

Zu sehen waren und sind in Moskau auch andere Mitglieder der Armata-Familie: Etwa ein auffallend langes, krokodilartiges Fahrzeug namens „T-15", ein schwerer Kampfschützenpanzer mit ferngesteuertem Turm, 30-mm-Maschinenkanone, MG und „Kornet“-Panzerabwehrraketenwerfern seitlich. An der Front und den Seiten waren teils auffallend abstehende Zusatzpanzerschürzen angebracht, innen wird Platz für eine etwa achtköpfige Gruppe Panzergrenadiere sein.

Unvollständiges Bild der T-15-Kampfschützenpanzer
Unvollständiges Bild der T-15-KampfschützenpanzerScreenshot/Youtube
T-15-Kampfschützenpanzer
T-15-KampfschützenpanzerEPA/MAXIM SHIPENKOV
Noch einmal ein
Noch einmal ein "Krokodil"Screenshot/Youtube

Eine etwas kleinere Kampfschützenpanzervariante, der „Kurganets-25“, war mit MG oder 30-mm-Kanone sowie Raketenwerfern am Turm bestückt, angeblich soll es eine Variante mit 57-mm-Kanone geben. Die seitlichen Panzerschürzen des Kurganets sind in ihrer Dicke noch auffälliger als jene des T-15 und es wirkt optisch, als trage dieses Fahrzeug seitlich Koffer.

Der Kurganets ist wie erwähnt zwar kleiner als der T-15, aber soll dennoch immer noch 25 Tonnen wiegen: Das ist weit mehr als die 13,5 bis knapp 19 Tonnen der bisherigen Kampfschützenpanzer der BMP-Reihe und dürfte nicht zuletzt auf die massiv ausgebaute Panzerung zurückgehen.

Kurganets-25-Kampfschützenpanzer
Kurganets-25-KampfschützenpanzerEPA/MAXIM SHIPENKOV
Kurganets-25-Kampfschützenpanzer
Kurganets-25-KampfschützenpanzerScreenshot/Youtube

Die Russen ließen auch einige der neuen Panzerhaubitzen namens „Koalitsiya" (Kaliber 152 Millimeter, Schussweite angeblich bis zu 70 Kilometer) durch die Stadt rollen. Sie gelten zwar als Teil der Armata-Familie, das Fahrgestell ist aber klar anders: Das Kettenlaufwerk etwa hat sechs statt sieben Laufräder und dürfte laut Beobachtern des Militärmagazins „Jane’s Defence“ eher von einem T-90 oder T-72 stammen.

Panzerhaubitze „Koalitsiya
Panzerhaubitze „Koalitsiya"Imago/ITAR-TASS

Zudem sah man Exemplare anderer neuer Nicht-Armata-Fahrzeuge: etwa den vierachsigen, mit 30-mm-Kanone und „Kornet"-Raketen bestückten  Radschützenpanzer/Mannschaftstransporter „Bumerang", der massiv an westliche Modelle erinnert, z. B. den Schweizer „Piranha" von MOWAG, der in den US-Streitkräften „Stryker" heißt. Auch neue gepanzerte Geländewagen („Tigr" mit Panzerabwehrraketenwerfer) und minensichere Lkw („Taifun") fuhren auf.

"Bumerang"-RadschützenpanzerScreenshot/Youtube

Vom eigentlichen Star von Armata, dem T-14, sollen bis spätestens 2020 bis zu 2300 Stück gebaut werden. Damit möchte Russland wohl einen wesentlichen Teil seiner aktiven Panzerflotte ersetzen (siehe unten). Die neuen Technologien, vor allem jene des ferngesteuerten Turms, nähren Vermutungen, dass der T-14 einmal in einer unbemannten, gänzlich als „Land-Drohne" ferngesteuerten Form auftauchen könnte.

Berichte etwa in deutschen Medien, dass Russland den T-14 bald exportieren möchte, dürften freilich verfrüht sein: Eine so neue Panzertechnik wird sich Moskau vorerst wohl auf längere Zeit nicht aus der Hand nehmen lassen.

Größtes Panzerheer der Welt

Die Größe der russischen Panzerflotte wird in internationalen Fachkreisen übrigens nicht einheitlich angegeben, was vor allem daran liegt, dass Russland viele Tausend ältere Panzer eingelagert hat - mit mehr oder weniger Aussicht auf Reaktivierung, viele sind nur noch zum Ausschlachten gut. Vermutlich wissen die Russen selbst nicht genau, wie viele Panzer sie haben - insgesamt gesehen hat aber kein anderes Land so viele Kampfpanzer wie Russland.

Halbwegs verlässliche Zahlen sind: Rund 900 T-90 und 2200 meist kampfwertgesteigerte T-72 sind auf die aktiven Panzereinheiten aufgeteilt.

T-90 bei einer früheren Parade in Moskau
T-90 bei einer früheren Parade in MoskauWikipedia/Russian Army

4500 T-80 wurden in den vergangenen Jahren schrittweise eingelagert, die letzten erst vorigen Dezember, etwa 180 sind noch übrig. Die T-80 hatten in den Tschetschenienkriegen der 1990er-Jahre schwere Verluste, vor allem, weil sie taktisch falsch (ohne Infanterieschutz in Städten) eingesetzt wurden. Weitere bis zu 8000 T-72 sind in Reserve, ebenso rund 4000 alte T-64, sogar noch etwa 850 T-62 und 1200 nun wirklich obsolete T-55.

Einige hundert T-64 und T-62 sollen indes noch in aktiven Verbänden sein, vermutlich zur Ausbildung oder rein in der Rolle als Sturmgeschütze zur Infanterieunterstützung. Man kommt jedenfalls theoretisch auf Gesamtzahlen von mehr als 21.000 Kampfpanzern, wohl ein Drittel bis die Hälfte davon sind nicht oder kaum einsatztauglich.

Die Früchte des Abrüstens

In Europa ist Russland die mit Abstand stärkste Panzermacht und der Nato klar überlegen, noch dazu, da die Nato-Panzereinheiten auf die jeweiligen Staaten zersplittert sind und nicht ohne weiteres zusammengeballt werden können. Zum Vergleich: Frankreich und Großbritannien haben derzeit je nur etwa 400 Kampfpanzer, Polen etwa 900, Deutschland etwa 250, Ungarn 30 (dazu 40 in Reserve), einige Nato-Staaten wie Belgien und die Niederlande sind gänzlich panzerlos.

Die USA haben zwar mehr als 6400 Abrams – davon sind derzeit aber nur einige Dutzend in Europa, bis Ende 2015 dürften es wohl nicht einmal 150 werden, schreiben US-Armeezeitungen. Nach dem Kalten Krieg hatten die Amerikaner ihre schweren Panzereinheiten nämlich schon völlig aus Europa abgezogen - es hieß ja, eine ernste Bedrohung sei nicht mehr zu erwarten (eine Ansicht, die man auch in Österreich weithin bis hinauf in höchste Politkreise gern teilt). Erst 2013 wurden erste kleine Panzereinheiten zurückverlegt, zunächst nach Bayern.

Länder wie Deutschland, Frankreich, Polen und das neutrale Schweden haben unterdessen bereits angekündigt, ihre Panzerverbände wieder zu verstärken -nur zur Sicherheit.

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