Exit Poll: Konservative klar vorn, Absolute verfehlt

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Premier Cameron konnte die britische Unterhauswahl für sich entscheiden, seine Partei erzielte laut Befragungen 316 Mandate, Labour nur 239. Cameron kann aber nicht allein regieren. Und sein Koalitionspartner wurde dezimiert.

Die britische Unterhaus-Wahl ist geschlagen, und pünktlich nach dem Schließen der Wahllokale um 23.00 MESZ wurden in der Nacht auf Freitag die ersten Ergebnisse von Nachwahlbefragungen veröffentlicht:

Die Wahl hat demnach einen klaren Sieg der Konservativen gebracht. Die Partei von Premier David Cameron wurde mit 316 von 650 Sitzen erneut stärkste Kraft und übertraf deutlich die Erwartungen. Die Regierungsbildung wird damit aber trotzdem schwierig, denn der bisherige Koalitionspartner der Konservativen, die Liberaldemokraten, fiel auf nur mehr zehn Sitze und wurde von den Wählern regelrecht gedemütigt. Sogar das Mandat von Parteichef Nick Clegg blieb in der Nacht noch in der Schwebe. Die tatsächlichen Ergebnisse aus den Wahlkreisen treffen von Donnerstagnacht bis Freitagmittag aus dem ganzen Land ein.

Triumph für schottische Nationalisten

Die oppositionelle Labour Party von Ed Miliband landete mit nur 239 Sitzen klar abgeschlagen an der zweiten Stelle. Der strahlende Gewinner des Wahltags dürfte die Scottish National Party (SNP) von Nicola Sturgeon werden, die nach den Exit-Polls einen Erdrutschsieg mit nicht weniger als 58 der 59 Sitze in Schottland erreichte.

Die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party (Ukip) von Nigel Farage konnte sich gegen das britische Mehrheitswahlrecht nicht behaupten und blieb mit prognostizierten zwei Sitzen klar hinter ihren Erwartungen.

Bei der letzten Parlamentswahl 2010 hatten die Konservativen 306 Sitze (36,1 Prozent) gewonnen, Labour 258 (29 Prozent) und die Liberaldemokraten 57 (23 Prozent). Konservative und Liberaldemokraten bildeten nach fünf Tagen eine Koalition, die über eine stabile Mehrheit verfügte. Nach den Exit-Polls scheint eine Wiederauflage dieser Zusammenarbeit mehr als wahrscheinlich. Clegg hatte bereits im Wahlkampf erklärt, er wolle mit der stärkste Partei zuerst sprechen.

323 Sitze reichen Cameron und Clegg

Gemeinsam könnten die bisherigen Partner die „magische Zahl“ von 323 Sitzen schaffen (die nordirische Sinn Féin nimmt ihre fünf Sitze traditionell nicht ein, ebenso verzichtet der Speaker des Unterhauses). Labour hat einen „Deal“ mit den schottischen Nationalisten  ausgeschlossen, liegt aber nach den Exit-Polls weit hinter einer Mehrheit.

In den letzten Tagen vor der Wahl verstärkten sich die Anzeichen, dass Premierminister Cameron bei Erreichen des ersten Platzes das Recht auf die Regierungsbildung für sich beanspruchen wird. Ein automatisches Recht darauf besteht aber nicht. Die Nominierung muss durch die Queen erfolgen. Ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten muss “eine Mehrheit im Unterhaus kontrollieren” und sich bei Regierungsantritt (“Queen's Speech”) einer Vertrauensabstimmung stellen. Das bedeutet nicht, dass die mandatsstärkste Partei auch ein Recht zu regieren hat, wenn sie keine absolute Mehrheit hat.

Labour-Debakel in Schottland

Nach dem voraussichtlichen Wahlergebnis werden sich somit erst in den kommenden Tagen die Schleier über der Themse lüften. Doch die Konservativen fühlten sich bereits als Sieger. In einer ersten Stellungnahme erklärte Fraktionschef Michael Gove: “Wir haben gewonnen, und Labour hat verloren”. Ziel sei eine “stabile und sichere Regierung”, nun gelte es die konkreten Ergebnisse abwarten.

In der Labour Party übertraf Ed Miliband zwar im Wahlkampf die (extrem niedrigen) Erwartungen seiner Parteifreunde, dennoch war das Wahlergebnis schließlich ein Debakel. Der völlige Verlust Schottlands, der traditionellen Hochburg Labours, droht die Partei aber auf Unionsebene zur Opposition zu verdammen. Die Rufe nach einem Führer mit mehr Charisma werden daher bald wieder laut werden, selbst ein Rücktritt des Parteichefs wurde in der Wahlnacht nicht ausgeschlossen.

Cameron verspielte Amtsbonus

Vor der Wahl hatte es für Cameron zunächst nicht besonders gut ausgesehen. Der Premier hatte den Amtsbonuns in den fünf Jahren in Downing Street verspielt. Das liegt indes nicht nur an seinem Stil, sondern auch an seiner Bilanz. Die Konservativen reklamieren für sich, den Staatshaushalt gerettet und die Wirtschaft zum Wachstum zurückgeführt zu haben. Kritiker wie Nobelpreisträger Paul Krugman werfen Camerons Regierung dagegen ein „ideologisch begründetes Sparprogramm“ vor, dessen Ziel das Ende des Wohlfahrtsstaates sei.

Interessenpolitik statt Ideologie

Tatsächlich nahm die Regierung Cameron massive Ausgabenkürzungen in fast allen Ressorts – ausgenommen Gesundheit, Erziehung und Entwicklungshilfe – und tiefe Einschnitte bei den Sozialleistungen vor. Sie senkte den Höchststeuersatz von 50 auf 45 Prozent, während sie die Wohnungsbeihilfe für Behinderte kürzte. Die Pensionen ließ sie hingegen unangetastet.

Das alles zeigt, dass die Regierung Cameron weniger Ideologie betrieb als vielmehr beinharte Interessenpolitik: Spitzenverdiener und Pensionisten sind Tory-Stammwähler, der von Kürzungen meistbetroffene öffentliche Dienst hingegen wählt Labour.

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