"Korruption ist für Ukraine gefährlicher als russische Panzer"

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Sergej Leschtschenko ist Abgeordneter des Blocks von Präsident Poroschenko. Bei einem Besuch in Wien verlangt er, dass der Staatschef seine Wahlversprechen einhält.

Er arbeitete jahrelang als Aufdeckerjournalist für die ukrainischen Internetzeitung "Ukrainska Prawda", im Vorjahr wechselte Sergii Leschtschenko als Abgeordneter des Blocks von Präsident Petro Poroschenko ins Parlament. Doch seinen aufmüpfigen Widerspruchsgeist hat der 34-Jährige dort nicht verloren. Im Politischen Salon, den die „Presse“ gemeinsam mit dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen veranstaltet, forderte er das ukrainische Staatsoberhaupt auf, endlich sein Wahlversprechen einzuhalten und seinen Roshen-Konzern sowie seinen Fernsehsender Kanal 5 zu verkaufen.

Korruption und der Kampf gegen Oligarchen standen im Mittelpunkt der Diskussion. Dabei bezeichnete Leschtschenko das geringe Gehalt von Abgeordneten, Beamten und Politikern als Einladung für Bestechlichkeit. Minister erhalten in der Ukraine 200 Euro pro Monat. Diese Form des Populismus sei kontraproduktiv, so Leschtschenko. „Mit einem Gehalt von 200 Euro im Monat kann man kein guter Wächter von 200 Milliarden Euro sein.“


An internationale Geldgeber appellierte er, strengere Reformbedingungen für Finanzhilfen zu stellen. „Die Reformen gehen zu langsam voran“, beklagte der Abgeordnete. „Wir verschwenden Zeit.“ Der Krieg in der Ostukraine halte als Ausrede her. „Es ist leicht, europäisches Geld zu nehmen und dann nichts zu tun.“ Es sei besser, die Situation gleichsam für einen Doppelschock zu nützen und Reformen durchzuboxen. Noch hätte die ukrainische Bevölkerung Verständnis für einschneidende Maßnahmen. Dann erst sei auch eine europäische Perspektive möglich.

Der Einfluss der Oligarchen müssen zurückgestutzt werden, so Leschteschenko. „Sie sind heute einflussreicher als zu der Zeit, als Viktor Janukowitsch noch an der Macht war.“ Die Absetzung von Ihor Kolomojskij als Gouverneur des Gebiets Dnjepropetrowsk sei ein erster Erfolg. Auch die Vormachtstellung Rinat Ahmetows im Energiesektor müsse dringend verringert werden. Der ostukrainische Magnat sollte verpflichtet werden, Anteile seines Imperiums zu verkaufen, forderte Leschtschenko.

Sehr kritisch äußerte er sich auch über den ukrainischen Geschäftsmann Dimitri Firtasch, dessen Auslieferung an die USA ein Wiener Gericht zuletzt abgelehnt hatte. Leschtschenko warnte vor den Verbindungen zu Russland, die Firtasch vermutlich noch pflege. Moskau sei über ihn und andere möglicherweise in der Lage, wieder politischen Einfluss in Kiew zu gewinnen.

„Die Korruption ist heute die größte Gefahr in der Ukraine“, meinte der Abgeordnete. „Sie ist sogar noch gefährlicher als die russischen Panzer.“ Ihm mangelt es jedoch mittlerweile am Glauben, dass die Ukraine die Korruption komplett selbstständig in den Griff bekommen könne. Er sei generell dafür, in diesem Kampf auch Experten von außen hinzuzunehmen. „Manchmal träume ich davon, keinen Wettbewerb zwischen verschiedenen Personen um die Führung der Steuer- oder Zollbehörde zu haben, sondern das einfach für eine gewisse Zeit den Deutschen, den Schweizern oder den Schweden zu übertragen“, sagte Leschtschenko. „Aber das ist natürlich nur ein Traum - und mit dem ukrainischen Gesetz nicht vereinbar.“

(red.)

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