Putins Siegesparade mit Seitenhieben

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Mit einer pompösen Militärparade feierte Russland den Sieg über Nazi-Deutschland vor 70 Jahren. Doch die Krise in der Ukraine überschattete die größte Waffenschau der russischen Geschichte.

Den wichtigsten Gast hat Russlands Präsident Wladimir Putin neben sich platziert: Der chinesische Staatschef, Xi Jinping, sitzt zu seiner Rechten auf der Ehrentribüne des Roten Platzes. Peng Liyuan, Chinas First Lady, hat einen Stuhl weiter Platz genommen und schützt ihre empfindlichen Augen zeitweise mit einer großen Sonnenbrille vor dem grellen Moskauer Morgenlicht. Immer wieder schwenken die Kameras auf die beiden Staatschefs, zeigen sie in Nahaufnahme in einem hektisch übersetzten Gespräch, während vor ihnen starre Soldatenformationen vorbeidefilieren und die laute Stimme des die Truppen preisenden Kommentators alles Weitere übertönt.

Nichts hat die russische Führung bei dieser Inszenierung dem Zufall überlassen. Die pompöse Parade zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland soll nicht nur an das Ende des Krieges 1941–1945 erinnern, sondern auch den Nationalstolz des Volkes wecken und der Welt zeigen, dass mit Russland als militärischer Großmacht bis heute zu rechnen ist. Über 20 Staatsgäste sind angereist, um dem Großereignis beizuwohnen. Doch auch die häufigen Bilder von Xi Jinping oder den Präsidenten aus Kasachstan, Aserbaidschan, Kirgistan und Armenien können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele wichtige Gäste fehlen.

Kein Staatschef der westlichen Alliierten Russlands in der Anti-Hitler-Koalition ist gekommen, weder US-Präsident Barack Obama noch Frankreichs Präsident François Hollande, auch Großbritannien hat, wie die anderen, nur seinen Botschafter geschickt. Viele andere westliche Spitzenpolitiker haben abgesagt, auch Österreichs Bundespräsident, Heinz Fischer. Deutschland hat eine Kompromisslösung gefunden: Kanzlerin Angela Merkel trifft erst heute, Sonntag, in Moskau ein, um einen Kranz niederzulegen. Aus der EU ist nur Zypern auf höchster Ebene vertreten. Zu groß ist das Zerwürfnis zwischen Moskau und den westlichen Staaten über den Krieg in der Ostukraine und die in Russland patriotisch verklärte Annexion der Halbinsel Krim.

In einer kurzen Ansprache dankt Putin den westlichen Alliierten für ihre Rolle bei dem „grandiosen Sieg“ der Sowjetunion. Das sei ein gutes Beispiel dafür gewesen, wie Nationen ihre Kräfte bündeln können, sagt er und holt zum Seitenhieb aus: Grundprinzipien internationaler Zusammenarbeit würden zunehmend ignoriert. Heute gebe es Versuche, eine unipolare Welt zu schaffen. „Das untergräbt die Stabilität.“ Am Revers trägt Putin das orange-schwarze Georgsband, für viele Russen das Symbol des Sieges über die Nazis. Es prangt auf den Uniformen, den Militärwagen und den Kampfjets, die den Roten Platz überfliegen. Es ist auch jenes Band, das die Separatisten in der Ostukraine tragen – als Zeichen ihrer Verbundenheit mit Moskau.


16.000 Soldaten. Über 16.000 Soldaten marschieren in polierten Stiefeln und steifem Stechschritt. Das wirkliche Gedenken für die 27 Millionen Kriegstoten der Sowjetunion findet andernorts statt, auf den Friedhöfen, in den Familien; an einem Gedenkmarsch durch Moskau nimmt Putin später persönlich teil. Eine russische Journalistin merkt an: Würden alle acht Millionen getöteten sowjetischen Soldaten über den Platz marschieren, dauerte die Parade 19 Tage und Nächte. Doch Trauer passt nicht in diese Demonstration der neuen Stärke.

Mit dröhnender Stimme kündigt der Sprecher über die Lautsprecher den Höhepunkt der Parade an: Moskaus neue Wunderwaffe, den Panzer Armata T-14, einen Hightech-Koloss mit unbemanntem Gefechtsturm und einer Schutzkapsel für die Besatzung. Diese Kampfmaschine, so jubelten russische Medien, übertreffe alle westlichen Modelle. In ein bis zwei Jahren soll der Superpanzer in Serie produziert werden. Das ist der Plan.

RUSSIA VICTORY DAY
RUSSIA VICTORY DAYAPA/EPA/YURI KOCHETKOV

Doch Putin, der mit Xi Jinping auch einen der wichtigsten Kunden der russischen Rüstungsindustrie neben sich hatte, dürfte die Präsentation nicht ohne eine leise Nervosität verfolgt haben: Bei der Generalprobe für seine Megaparade blieb ausgerechnet Armata T-14 vor der Tribüne liegen und musste abtransportiert werden. Die Armee erklärte hinterher, es habe sich um eine Abschleppübung gehandelt.

Fakten

27 Millionen Menschen aus der Sowjetunion sind während des Zweiten Weltkriegs laut Schätzungen ums Leben gekommen, die meisten davon Zivilisten. Russland gedenkt jedes Jahr am 9. Mai des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschland.

Die Militärparade findet erst seit 1995 jährlich statt. Davor gab es nur 1965 und 1985 eine solche Feier. Viele Kriegsveteranen haben sie nie erlebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2015)

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