Kerry reicht Russland die Hand

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Erstmals seit zwei Jahren stattete US-Außenminister Kerry Russland einen Besuch ab. In Sotschi warb er für die Einhaltung des Minsker Waffenstillstandsabkommens.

John Kerrys gestrige Visite in Russland sollte vor allem eines vermitteln: den Anschein von Normalität, von business as usual, dass hohe Politiker der USA und Russland noch immer miteinander sprechen. Trotz des größten Zerwürfnisses seit Ende des Kalten Kriegs, das die Ukraine-Krise herbeigeführt hat. Ein US-Diplomat drückte es so aus: „Es ist wichtig, zu versuchen, mit den Entscheidungsträgern zu reden.“ Die Kommunikationskanäle zwischen den USA und Russland dürften nicht abreißen.

Geredet haben US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow dann lang: Vier Stunden dauerte das Treffen im Schwarzmeer-Kurort Sotschi. Es war der erste Besuch Kerrys in Russland seit zwei Jahren. In Sotschi traf Kerry auch Präsident Wladimir Putin in dessen Sommerresidenz. Nach einem Händedruck vor den TV-Kameras zogen sich beide Politiker zu Beratungen zurück. Vordringlich ging es um konkrete Schritte zur Umsetzung des Minsker Waffenstillstandsabkommens, sagte ein hoher Mitarbeiter Kerrys. Der Kreml dämpfte allerdings im Anschluss an das Treffen den Optimismus: Von einem Durchbruch könne nicht die Rede sein.

„Kritischer Moment“ für Kiew

Der Außenminister ist der höchste US-Vertreter, der seit Beginn der Ukraine-Krise Russland besucht. Die Ukraine befinde sich derzeit in einem „kritischen Moment“, sagte ein Mitarbeiter. Wenn der Vertrag von Minsk vollständig umgesetzt werde und die Ukraine die Souveränität über ihre Grenzen zurückerhalte, könnte eine Rücknahme der gegen Moskau verhängten Sanktionen erwogen werden. „Wenn es mehr ernsthafte Verletzungen gibt, wird der Druck erhöht.“

Die USA und die Europäische Union werfen Moskau vor, die gegen die prowestliche Regierung in Kiew kämpfenden Milizen in der Ostukraine mit Soldaten und Ausrüstung zu unterstützen. Deswegen und wegen der Annexion der Krim von der Ukraine haben sie Sanktionen gegen Moskau verhängt. Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hatte Putin am Sonntag indirekt gedrängt, auf die Separatisten einzuwirken, damit diese die Waffenruhe einhielten.

Vor Ort wurde die Waffenruhe mehrfach gebrochen. Bei Gefechten im Kriegsgebiet wurden drei ukrainische Soldaten getötet. Die Separatisten verstießen andauernd gegen die seit Februar geltende Waffenruhe, sagte Außenminister Pawlo Klimkin am Dienstag in Kiew. Auch die prorussischen Kämpfer warfen der Ukraine Angriffe im Frontgebiet vor.

Ukraine beansprucht Airport

Präsident Petro Poroschenko kündigte an, den komplett zerstörten Flughafen der Separatistenhochburg Donezk zurückzuerobern und wieder aufzubauen. „Wir befreien den Airport von Donezk, denn das ist unser Land“, sagte er nach Angaben der Präsidialkanzlei. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow in Moskau kritisierte dies als Verstoß gegen den Friedensplan für die Ostukraine. Der Flughafen war monatelang schwer umkämpft, bis die Aufständischen das Gelände im Jänner einnahmen.

In Moskau hieß es, Russland hoffe auf eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA. Den Besuch Kerrys bewertete Putins Sprecher Dmitrij Peskow laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen als „äußerst positiv“. Seinen Angaben zufolge soll es neben der Ukraine auch um den Bürgerkrieg in Syrien, den Atomkonflikt mit dem Iran und um bilaterale Themen gehen. Nur durch Dialog könnten eine Normalisierung der Beziehungen und „eine engere Zusammenarbeit bei der Lösung internationaler Probleme“ erreicht werden, sagte Peskow.

Kerry reiste von Sotschi weiter in die südtürkische Stadt Antalya. Dort kommen am Mittwoch die Nato-Außenminister zusammen. Auch auf ihrem Treffen wird die Ukraine-Krise eine wichtige Rolle spielen.

AUF EINEN BLICK

In Sotschi traf US-Außenminister John Kerry seinen Amtskollegen, Sergej Lawrow, und den russischen Präsidenten, Wladimir Putin. Die Politiker berieten über Auswege in der Ukraine-Krise. Die USA möchten, dass Russland seinen Einfluss auf die ostukrainischen Separatisten geltend macht, um eine Einhaltung des Waffenstillstands zu erreichen. Bei Kämpfen im Donbass wurden drei ukrainische Soldaten getötet. Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, kündigte indes eine Rückeroberung des Flughafens Donezk an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)

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