Asien: Flucht vor den radikalen Buddhisten

AKTUELLES ZEITGESCHEHEN Fl�chtlinge Angeh�rige der muslimischen Minderheit Rohingya aus Myanmar in
AKTUELLES ZEITGESCHEHEN Fl�chtlinge Angeh�rige der muslimischen Minderheit Rohingya aus Myanmar in(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Die meisten Flüchtlinge im Golf von Bengalen stammen aus Burma: Sie sind Mitglieder der verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya.

Mit Messern stürzten die Flüchtlinge aufeinander zu, um etwas Reis und Wasser zu erkämpfen. Während des Streits auf dem voll beladenen Holzboot wurden Menschen über Bord geworfen, andere erhängt oder erstochen. Am Wochenende endete diese Reise des Grauens: Die nahezu verhungerten und verdursteten Überlebenden wurde von indonesischen Fischern gerettet und an Land gebracht. Zwei Monate lang seien sie im kleinen Schiff im Indischen Ozean umhergeirrt, schilderten sie. Eigentlich sei ihr Ziel Malaysia gewesen. Doch die Marine habe das Boot abgefangen und es gezwungen weiterzureisen.

Thailand, Indonesien und Malaysia sind derzeit mit einem Ansturm von illegalen Migranten konfrontiert – ähnlich wie die EU-Mittelmeerländer. Allein in der vergangenen Woche strandeten 2500 Flüchtlinge aus Burma und Bangladesch. 5000 weitere harren in Booten auf See aus. Die lokalen Behörden, die die Migranten unterbringen sollen, sind sich selbst überlassen: In den eiligst errichteten Camps fehlt es an allem. Die Regierung setzt indes auf Härte: In allen drei Staaten wurde die Marine angewiesen, die Boote zurückzudrängen – in Richtung der anderen Länder. Nach internationaler Kritik an diesem „inhumanen menschlichen Pingpong-Spiel“ (so Human Rights Watch) zeigten sich die drei Länder zumindest bereit, bei einem Treffen am Mittwoch „gemeinsame Lösungen“ zu finden. Doch der Grundtenor bleibt gleich: „Diese Flüchtlinge sind nicht unser Problem“, heißt es aus Thailand. „Die Verantwortung liegt bei Burma.“

Staatenlos und in Lagern eingesperrt

Tatsächlich gehören die meisten Boat People der muslimischen Minderheit der Rohingya in Burma an: 28.500 Rohingya sollen allein in den ersten drei Monaten des Jahres über das Meer geflüchtet sein. Diese Menschen, an denen Schlepper seit Jahren Millionen verdienen, werden in ihrer Heimat brutal verfolgt und diskriminiert. Den Mitgliedern der 800.000 Menschen zählenden Volksgruppe wird die Staatsbürgerschaft verweigert, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie seit 1948 in Burma leben (viele haben gar keine Papiere). Rohingya haben keinen Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem, zudem dürfen sie zahlreiche Berufe nicht ausüben. Die „Bengalis“ – so werden sie in Burma genannt – seien „illegale Einwanderer“ aus Bangladesch: „Die haben nichts mit unserer Kultur zu tun“, formulierte es ein burmesischer UN-Diplomat. In Wirklichkeit leben die Rohingya bereits seit dem 19. Jahrhundert in Burma, als sie von den Briten hier angesiedelt wurden.

Von der politischen Öffnung Burmas seit Ende der Militärdiktatur 2010 hat die Minderheit nicht profitiert – im Gegenteil: 2012 eskalierte der Hass auf die Rohingya. Angezettelt durch radikale buddhistische Mönche ermordeten buddhistische Burmesen hunderte Muslime, zerstörten ihre Häuser und Geschäfte, vertrieben sie aus ihren Dörfern. Sicherheitskräfte schritten nicht ein – oder nahmen aktiv an diesen Pogromen teil. Human Rights Watch sprach damals von „ethnischen Säuberungen“. Bis heute hat die Regierung dafür niemand zur Verantwortung gezogen. Aktivisten vermuteten hinter den Vertreibungen steigende Landpreise, von denen nun die Buddhisten profitieren.

Denn seit damals sind etwa 130.000 Rohingya in Lagern interniert, die sie „aus Sicherheitsgründen“ nicht verlassen dürfen. Untergebracht sind diese Menschen in Lehmhütten, es fehlt an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten. Nicht einmal einen Arzt dürfen sie aufsuchen.

(C) DiePresse

Zwangsverhütung geplant

Und nahezu täglich werden die Muslime mit neuen Schikanen konfrontiert: Im April nahm die Regierung den staatenlosen Rohingya auch noch den Personalausweis weg – das einzige offizielle Dokument, das sie noch besaßen. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass sich die Flüchtlingswelle so rasant verstärkt hat. Zudem plant die Regierung ein „Gesetz zum Schutz von Rasse und Religion“, das „armen Frauen“ vorschreibt, in den ersten drei Jahren nach der Entbindung kein weiteres Kind bekommen zu dürfen. Laut Human Rights Watch richtet sich die Regelung gegen Rohingya-Frauen. Befürchtet werden Zwangsverhütungen.

Angetrieben werden die Anti-Rohingya-Regelungen von radikalen buddhistischen Mönchsgruppen wie Ma Ba Tha, die Muslime als „verrückte Hunde“ bezeichnen. In der Bevölkerung findet diese Diskriminierung große Unterstützung. Und so setzt sich nicht einmal Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi für die Rohingya ein. Wohl auch, weil die Oppositionelle die Parlamentswahl im Herbst im Blick hat. Da dürfen die Muslime ohnehin nicht abstimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)

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