Bei Konferenz am Toten Meer präsentiert sich die Region im besten Licht, Außenminister Kurz als Vorkämpfer gegen radikalen Islam.
Samarah. Kamele trotten spätabends auf der Straße entlang des Salzsees, während sich am Rand des Asphaltbands Familien bei Wasserpfeife und Grill zum Picknick niedergelassen haben. Von den Bergen jenseits des Toten Meers glitzern die Lichter Bethlehems und Jerusalems. Der Terror ist weit weg von Samarah, dem sandsteinfarbenen Hoteldorf am jordanischen Ufer. Der Krieg der IS-Milizen in Syrien und an der syrisch-irakischen Grenze tobt ein paar hundert Kilometer weit entfernt vom tiefsten Punkt der Erde, 400 Meter unter Meeresniveau.
Und doch ist die Bedrohung ganz nah bei der Eröffnung des World Economic Forum (WEF) für den Nahen Osten und Nordafrika, einer Dependance des Davos-Forums. Selbst rund um die Hauptstadt Amman sind alle paar Kilometer Jeeps und Panzerfahrzeuge mit aufgepflanzten Maschinengewehren postiert. Die Nervosität ist groß zum Auftakt der Konferenz in Jordanien, das Königreich hat die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft. Der Wüstenstaat Jordanien ist nicht erst seit dem bestialischen Mord an dem Kampfpiloten Moaz Kasasbeh, den die Jihadisten zu Beginn des Jahres bei lebendigem Leib in einem Käfig verbrannt haben, ins Visier des Islamischen Staats gerückt.
Lange galt Jordanien als Oase der Ruhe in einer Region, die seit dem Arabischen Frühling in Aufruhr ist. Abdullah hat sein Haschemitenreich geschickt aus den Turbulenzen herausgehalten, obwohl sich im Land – eingeklemmt zwischen Syrien, Israel, Irak und Saudiarabien – mehr als eine Million Flüchtlinge tummeln, vorwiegend Syrer. Allenthalben prangt die Regenten-Trias aus Großvater, Sohn und Enkelsohn als Garant der Sicherheit und verlässlicher Partner des Westens: Hussein, Abdullah und Kronprinz Hussein, Nachfahren des Propheten Mohammed. In der Grenzregionen hissen Anhänger zuweilen schwarze IS-Banner, die jordanische Armee verstärkte massiv den Grenzschutz. Zugleich versucht Abdullah – gemeinsam übrigens mit seiner Frau Rania –, mit flammenden Appellen einen moderaten Islam zu forcieren.
Wunsch-Gegenwelt
Beim World Economic Forum am Toten Meer trifft sich das politische und ökonomische Establishment der arabischen Welt zum Meinungsbasar und nicht zuletzt zur Einfädelung wirtschaftlicher Projekte. In der Eröffnungsrede wollte Abdullah die grimmige politische Realität zwar nicht ausblenden. Mit Verve mühte er sich indes – ähnlich wie Ägyptens Präsident Abdel Fatah al-Sissi – ein optimistisches Szenario zu zeichnen, eine Wunsch-Gegenwelt, die vor Chancen, Business-Möglichkeiten, Investitionen und Innovationen strotzt. Der König kündigte Projekte im Volumen von 18 Milliarden Dollar an, finanziert von Petro-Dollars aus Saudiarabien, Kuwait und den Emiraten. Als Drehscheibe und Kontaktbörse macht sich die WEF-Konferenz bezahlt. „Wir müssen den Blick nach vorne richten, wir dürfen uns nicht vom regionalen Chaos bestimmen lassen“, appellierte Abdullah.
Ob Zufall oder bewusst von der Tagungs-Regie gesteuert: In der ersten Reihe waren der Methusalem und der Benjamin der internationalen Diplomatie nebeneinander platziert. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz betrieb Small Talk mit Schimon Peres, Israels 91-jährigen Ex-Präsidenten. Der nimmermüde Optimist Peres wollte hinterher in einer Pressekonferenz dem Nahost-Friedensprozess nicht abschwören, während Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas zum x-ten Mal ein Plädoyer für eine Zwei-Staatenlösung hielt.
Für Sebastian Kurz könnte Israels Friedens-Sisyphus als Vorbild taugen. Wie Peres sich sein Leben lang am Nahost-Konflikt abgearbeitet hat, hat der Außenminister im islamistischen Terror, der Radikalisierung junger Muslime, einem Gegenprogramm dazu und dem Migrantenstrom möglicherweise schon früh ein Lebensthema gefunden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)