Skandinavien: Kriegsspiele im hohen Norden

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In Nordeuropa üben Nato-Luftstreitkräfte mit den neutralen Ländern Schweiz, Schweden und Finnland den Ernstfall. Zeitgleich führt Russland Manöver am Ural durch.

Stockholm. Seit der Ukraine-Krise rücken die neutralen Länder Schweden und Finnland immer weiter an die Nato heran. Zusammen mit dem Nato-Nachbarn Norwegen sind sie derzeit Gastgeber eines ungewöhnlich groß angelegten Manövers ihrer Luftstreitkräfte, an dem sich auch Truppen der neutralen Schweiz und der Nato-Länder USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und der Niederlande beteiligen.

An der bis zum 4.Juni laufenden Übung Arctic Challenge Exercise 2015 (ACE15) nehmen 3600Soldaten und 115 Kampfflugzeuge aller neun Länder teil, verteilt auf mehrere Militärstützpunkte in Norwegen, Schweden und Finnland. Offiziell soll die militärische Zusammenarbeit der neutralen Länder mit den Nato-Staaten bei UN-Friedensmissionen geprobt werden. Etwa für die Durchsetzung von Flugverbotszonen, so wie es über Libyen 2011 war.

Das Manöver war bereits vor der Ukraine-Krise geplant worden. Doch findet es vor dem Hintergrund starker Spannungen in der Region statt. Schweden und Finnland wie auch die baltischen Nato-Länder Lettland, Estland und Litauen haben seit der Ukraine-Krise verstärkte Aktivitäten russischer Kampfflugzeuge nahe ihrer Lufträume mit Besorgnis registriert. Auch Rivalitäten um die Bodenschätze in der Arktis nehmen zu.

„Wir gewährleisten unsere Sicherheit zusammen mit anderen – und das bedeutet, dass wir zusammen trainieren müssen“, erklärte Carl-Johan Edström von der schwedischen Luftwaffe. Das nordische Großmanöver soll in Zukunft jedes zweite Jahr wiederholt werden.

Zeitgleich zur Übung der Nato und den neutralen nordischen Partnern hat der russische Präsident, Wladimir Putin, am Dienstag prompt ein nicht angekündigtes Blitzmanöver seiner Luftstreitkräfte über dem Uralgebirge und Sibirien angeordnet. Dort soll die Verteidigung des russischen Luftraums trainiert werden, mit deutlich mehr militärischer Kraft als beim nordischen Manöver: 12.000 russische Soldaten und 250 Flugzeuge sind im Einsatz. Das dürfte die Nato als Provokation auffassen. Erst vor einer Woche hatte der norwegische Nato-Generalsekretär, Jens Stoltenberg, Moskau um mehr Informationen zu Truppenbewegungen und Blitzmanövern aufgefordert, „um zu vermeiden, dass die Dinge außer Kontrolle geraten“.

Wachsende Angst vor Moskau

Seit dem Ukraine-Konflikt sind in den nordeuropäischen Ländern die Ängste vor Russland gewachsen. So haben die Nato-Länder Norwegen, Island und Dänemark erst Anfang April mit Schweden und Finnland eine sehr weitgehende Militärkooperation vereinbart. Darin geht es neben gemeinsamen Manövern um eine „direkte Antwort auf das aggressive Verhalten Russlands“.

In Schweden wie auch in Finnland ist die Zustimmung zu einer möglichen Nato-Mitgliedschaft seit Beginn der Ukraine-Krise deutlich gestiegen, wenngleich die Mehrheit laut Umfragen immer noch dagegen ist.

Auch Russland baut seine Streitkräfte in der Arktis aus. Anfang April wurde bekannt, dass Moskau Bauteile für eine Marinebasis auf der Inselgruppe Franz-Josef-Land im Nordpolarmeer ausgeliefert hat. Die russische Armee habe in der rohstoffreichen Region Luftabwehrraketen stationiert, sagte Generalmajor Kirill Makarow. Bereits im März fand ein Großmanöver mit 40.000 Soldaten in der arktischen See statt. Geplant sei auch die Stationierung von Kampfjets, hieß es. Zudem will Moskau am Polarmeer ein Frühwarnsystem errichten.

Nicht zuletzt steht die Aufrüstung mit dem Klimawandel in Zusammenhang. „Bisher war die russische Nordflanke durch Eis geschützt“, sagte Ekatatina Klimenko, Forscherin des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri der „Presse“. „Das schmilzt durch den Klimawandel zunehmend – und muss deshalb verstärkt militärisch abgesichert werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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