Edward Snowdens Enthüllungen und Rand Pauls Beharrlichkeit erzwingen eine Reform der Überwachung des US-Datenverkehrs.
Washington. Nach fast 14 Jahren hat die National Security Agency (NSA) in der Nacht auf Montag damit aufgehört, Namen, Nummern und Anrufzeiten aller Kunden amerikanischer Mobilfunkbetreiber systematisch zu sammeln.
Das Ende dieser Sammlung von Telefondaten in Bausch und Bogen ist auf die Enthüllungen des früheren NSA-Zuarbeiters Edward Snowden und die Erkenntnis des republikanischen Senators Rand Paul zurückzuführen, dass sich mit dem beharrlichen Auftreten gegen die Eingriffe der US-Geheimdienste in die Privatsphäre der US-Bürger gut Werbung für eine Präsidentschaftskandidatur machen lässt. Außer Kraft ist nun die Section 215 des Patriot Act, jenes Gesetzes, mit dem unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush nach 9/11 die geheimdienstlichen Befugnisse stark ausgeweitet worden sind.
Dieser Abschnitt des Patriot Act erlaubte der NSA die pauschale Sammlung der Metadaten von Mobilfunknutzern (wenn auch nicht die Aufzeichnung der Gespräche und SMS-Kurznachrichten).
Richter muss zustimmen
Die NSA kann weiterhin große Datenmengen sichten und Lauschangriffe unternehmen. Sie benötigt dafür allerdings vorerst die Genehmigung eines Bundesgerichts, solcherlei Daten von den Mobilfunkfirmen zur Vorlage zu verlangen. Die US-Betreiber speichern diese Kundendaten allerdings zumeist nur für 18 Monate, während die NSA ihre Datenberge für fünf Jahre behält.
Ein grundrechtlicher Gewinn ist diese Entwicklung dennoch, denn zumindest theoretisch steht den nicht immer sachlich begründeten Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden nun die auch in den USA unabhängige Berufsrichterschaft im Weg. Das Datensammeln hat der NSA in 14 Jahren ein einziges Mal zu einer Verurteilung verholfen. Ein somalischstämmiger Mann in San Diego hatte etwas mehr als 8000 Dollar zur Unterstützung von Kämpfern der islamistischen al-Shabaab-Gruppe am Horn von Afrika gespendet; dafür wurde er verurteilt, die Planung eines terroristischen Anschlages wurde ihm allerdings nicht zur Last gelegt.
Das Schauspiel um die Verlängerung von Section 2015, das sich in den vergangenen zwei Wochen im Kongress darbot, veranschaulicht die tiefe Kluft in der Republikanischen Partei. Rand Paul blamierte mit seinem Bestemm seinen Landsmann aus dem US-Bundesstaat Kentucky, den Mehrheitsführer Mitch McConnell. McConnell wollte den Patriot Act in seiner bisherigen Form provisorisch fortführen, Paul verweigerte dies. Ein Filibuster, also eine lange, Gesetzesvorlagen verhindernde Rede im Plenum, war das nicht. Paul kann also eine Reform der geheimdienstlichen Datensammlung nicht aufhalten.
Das Abgeordnetenhaus, ebenso wie der Senat republikanisch dominiert, hat bereits den USA Freedom Act beschlossen, der vorsieht, dass die Mobilfunkfirmen künftig die Metadaten für die NSA sammeln sollen. Die Geheimdienstler bekämen nur auf richterlichen Befehl Einblick in eine Datensammlung, bei deren Einrichtung die NSA den Mobilfunkbetreibern ein halbes Jahr lang „beratend“ zur Hand ginge. Ob der Senat diesem Vorschlag zustimmt, ist offen. Rand Paul darf sich auf weitere schlagzeilenträchtige Auftritte freuen. Das wird seiner Präsidentschaftskandidatur nicht schaden. (go)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)