Deutschland: Chaos bei rechter „Alternative“

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Die Alternative für Deutschland (AfD) sagte ihren für Mitte Juni geplanten Parteitag ab. Der Machtkampf verhärtet sich.

Berlin. Der Spott hat in den sozialen Medien nicht lang auf sich warten lassen. Eine Partei, die von den Griechen Disziplin fordere, bekomme nicht einmal einen eigenen Parteitag zustande, lautet etwa ein Tweet. Auch von einem Aderlass ist die Rede. Und tatsächlich ist die Absage des für 13. Juni geplanten Bundesparteitags der Alternative für Deutschland (AfD) nur ein weiterer vorläufiger Höhepunkt bei dem seit Wochen andauernden Zwist zwischen den Parteivorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry. Beide hätten eigentlich bei dem Parteitag in Kassel als Doppelspitze bestätigt werden sollen – allerdings gaben sie kürzlich bekannt, nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen.

Als Grund für die Absage des Parteitages – die telefonisch beschlossen wurde – werden „juristische Bedenken des Bundesschiedsgerichts“ angegeben; das Schiedsgericht hatte zuvor festgestellt, dass die Aufstellung der Delegierten in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Saarland „teilweise unter fragwürdigen Bedingungen“ erfolgt sei (die Fälle werden derzeit untersucht). Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, statt einem Delegiertenparteitag einen Mitgliederparteitag abzuhalten. Das Treffen soll Ende Juni stattfinden und dürfte insbesondere Lucke nutzen. Bisher war es Petry, die auf mehr Rückenwind zählen konnte, allerdings von den Delegierten. Die Zusammenarbeit mit ihr sei konstruktiver und unkomplizierter, heißt es etwa. In der Basis aber – die Partei hat über 20.000 Mitglieder – dürfte Lucke nach wie vor einen festen Stand haben. Petry geht dennoch von einem geringen Zuspruch für Lucke aus. Sein „Weckruf 2015“ habe ihm nicht die erhoffte Mobilisierung eingebracht.

Erhöhte Unsicherheit

Erst Mitte Mai hatte Lucke den Verein „Weckruf 2015“ gegründet, um vor allem die wirtschaftsliberalen Kräfte in der AfD zu bündeln und ein Driften nach Rechtsaußen zu verhindern. Petry vertritt den nationalkonservativen Teil und warf Lucke vor, eine „Partei in der Partei“ gegründet zu haben. Damit wurde der interne Machtkampf quasi offiziell. Luckes Initiative findet vor allem in den westlichen Bundesländern Anklang, Petry hingegen – sie ist die sächsische Chefin des Landesverbandes Sachsen – dürfte es im Osten einfacher haben. Mit der Verschiebung des Parteitages hat Lucke nun mehr Zeit, für sein Programm zu werben. Petry zeigt sich freilich enttäuscht: Für die Außenwahrnehmung der AfD sei die Absage schlecht und erhöhe die Unsicherheit für alle Mitglieder.

Derzeit hat die AfD – wie bei der Gründung festgelegt wurde – drei Vorsitzende; neben Lucke und Petry ist es der ehemalige Journalist Konrad Adam. Bei dem Parteitag in Kassel sollte die Spitze auf zwei Personen verkleinert werden – später dann auf einen Vorsitzenden. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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