Wer steckt hinter Hackerangriffen auf Iran-Verhandler?

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Ein Computervirus hat drei Luxushotels befallen, in denen Atomgespräche stattfanden. Wahrscheinlich auch das Palais Coburg. Der Verfassungsschutz ermittelt. Unter Verdacht ist Israel.

Wien. Sie verhandeln schon seit Jahren über das Atomprogramm der Islamischen Republik. Am Donnerstag saßen der iranische Chefunterhändler Abbas Araqchi und Helga Schmid, die Vize-Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, wieder einmal hinter den dicken Mauern des Palais Coburg in Wien zusammen. Diesmal jedoch werden sie sich vermutlich noch weniger allein als sonst gefühlt haben. Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge wurden die Computersysteme von insgesamt drei Luxushotels, in denen in den vergangenen Monaten Atomverhandlungen mit dem Iran stattgefunden haben, gehackt und damit auch belauscht.

Das ist das Ergebnis einer umfassenden Untersuchung, die das in Moskau ansässige Internet-Sicherheitsunternehmen Kaspersky durchgeführt hat. Die Firma war im Vorjahr selbst von einem Virus befallen worden und wollte wissen, wer dem ausgeklügelten Spionageprogramm noch zum Opfer gefallen war. Kaspersky gibt zwar keine Namen preis, doch der Verdacht richtet sich gegen Israel, subtil angedeutet auch in der Erstfassung des Berichts: „Duqu Bet“ nannten die Experten den Computervirus zunächst. Bet ist der zweite Buchstabe im hebräischen Alphabet. Auch US-Nachrichtendienste ordnen „Duqu“ laut „Wall Street Journal“ ihren israelischen Kollegen zu. Israels Vize-Außenministerin Tzipi Hotovely dementierte postwendend. „Die ausländischen Berichte entbehren jeder Grundlage.“

Faktum ist: Israel beobachtet die Atomverhandlungen mit sorgenvollen Argusaugen. Es befürchtet einen schlechten Deal, der sämtliche Werkzeuge für eine Atombombe in den Händen der iranischen Erzfeinde belässt.
Der Wanderzirkus der Atomverhandler machte an exklusiven Orten halt: im Beau-Rivage Palace in Lausanne, im Intercontinental und im Hotel President Wilson in Genf, im Royal Plaza in Montreux, kurz auch im Bayerischen Hof in München – und im Palais Coburg, gleich beim Wiener Parkring.

Die Schweizer gehen schon länger dem Verdacht nach, dass die Atomgespräche mit dem Iran in Genf abgehört worden sein könnten. Die Bundesanwaltschaft eröffnete bereits im Mai ein Verfahren gegen unbekannt. Dabei sei im Rahmen einer Hausdurchsuchung auch IT-Material beschlagnahmt worden, teilte ein Sprecher der Behörde mit.

So weit sind die Österreicher noch nicht. Doch auch sie beginnen nun zu ermitteln. Das BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung) überprüfe den Fall auf allen relevanten Ebenen, erklärte Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, gegenüber der „Presse“. Die Beamten sollen zunächst Kontakt mit Kaspersky aufnehmen und im Palais Coburg vorbeischauen. „Die Einschaltung der Justiz wäre ein nächster Schritt“, so Grundböck.

Die Aufregung und die Verwunderung halten sich in Grenzen. Ein Hackerangriff auf die Iran-Gespräche im Palais Coburg gilt in Sicherheitskreisen als „sehr wahrscheinlich“. Lapidar heißt es: „Agenten sitzen nicht mehr hinter einer Zeitung mit einem Loch, sie bedienen sich moderner Kommunikationsmittel.“

Tatsächlich dürfte der Duqu-Virus einige Möglichkeiten eröffnet haben, nämlich den Zugriff auf Überwachungskameras, Telefone, Wireless-Netzwerke, das Alarmsystem, Mikrofone in Aufzügen und auf Hotelcomputer. Nach Einschätzung eines IT-Experten brauchte ein zehnköpfiges Team mehr als zwei Jahre, um den gut getarnten Virus zu bauen. In das System schlich er sich mit nur einem Mausklick ein: über Anhangdokumente in E-Mails.

Auf einen Blick

Kaspersky Lab ZAO, ein in Moskau ansässiges internationales IT-Sicherheitsunternehmen, wurde im Vorjahr von einem Virus befallen. Daraufhin untersuchte die Firma Millionen Computer weltweit. Das Ergebnis: Eingeschmuggelt hatte sich das Spionageprogramm auch in drei Luxushotels, in denen Atomverhandlungen mit dem Iran über die Bühne gingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

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