Peking und Moskau dürften Zugriff auf Snowden-Akten haben

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Medienberichten zufolge hackten Russland und China die geheimen Daten des Ex-Geheimdienstmitarbeiters. Snowden hat eine der größten Geheimdienstaffären der vergangenen Jahre ans Licht gebracht.

Wien/London. 1,7 Millionen geheimer Datensätze soll sich Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden beschafft haben, bevor er die USA im Frühjahr 2013 über Hongkong Richtung Moskau verlassen hat. Nun aber könnte passiert sein, was für westliche Geheimdienste wohl so etwas wie ein Worst-Case-Szenario darstellt: Russland und China sollen den Spionagedaten-Fundus des Whistleblowers gehackt und Zugang zu einem Großteil der Informationen haben. Der britische Auslandsgeheimdienst MI6 sei dadurch gezwungen gewesen, Agenten aus Einsätzen in „feindlich gesinnten Ländern“ abzuziehen, berichtete die britische „Sunday Times“ an diesem Wochenende. Die Zeitung berief sich auf Quellen im Sitz des Premierministers, im Innenministerium und in Sicherheitsbehörden.

Der Snowden-Vertraute und Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald wies die Darstellung allerdings zurück: So sei der Bericht in der „Sunday Times“ gespickt mit vielen nachweislich falschen Informationen und ein Beispiel für schlimmsten Journalismus. Wer Behauptungen glaube, die anonym im eigenen Interesse von Regierungen vorgetragen würden, sei dumm, so Greenwald im Kurznachrichtendienst Twitter.

„Unkalkulierbarer Schaden“

Dem Bericht zufolge verschaffte sich etwa Russland Zugang zu mehr als einer Million Geheimdokumente aus dem Snowden-Fundus. Auch China soll verschlüsselte Dokumente gehackt haben, die Informationen und Methoden von Geheimdiensten enthielten und zur Enttarnung von britischen und US-amerikanischen Spionen führen könnten. Ein hochrangiger britischer Regierungsvertreter sagte der Rundfunkanstalt BBC, die Agenten seien versetzt worden, weil Russland und China Snowden-Dateien lesen könnten. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass einem von ihnen geschadet worden sei. Russlands und Chinas „Wissen darüber, wie wir arbeiten“, habe verhindert, dass Großbritannien an „wichtige Informationen“ gelange, zitierte die BBC den Regierungsvertreter. Ein britischer Geheimdienstmitarbeiter sprach von einem „unkalkulierbaren Schaden“.

Das Amt des Premierministers und das Außenministerium wollten sich am Sonntag auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP aber nicht zu den Berichten äußern. Auch in Moskau und Peking war gestern niemand für einen Kommentar zu den Medienberichten zu erreichen.

Snowden hat eine der größten Geheimdienstaffären der vergangenen Jahre ans Licht gebracht. Der Computerspezialist hatte zunächst für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet und war unter anderem in Genf stationiert gewesen. Später wechselte er zu der Vertragsfirma Booz Allen Hamilton. Für Booz arbeitete er als externer Mitarbeiter bei der National Security Agency (NSA). Als Systemadministrator hatte er Zugriff auf viele Dokumente – und kopierte tausende Unterlagen. Insgesamt soll er sich 1,7 Millionen Datensätze beschafft und diese an Journalisten weitergereicht haben. Die Enthüllungen des heute 31-jährigen Snowden machten seit dem Frühsommer 2013 das Ausmaß der Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation durch US-Geheimdienste und ihre britischen Partner von GCHQ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

„Wahrscheinlichkeit bei null Prozent“

Snowden wird von den USA gesucht. Auf seiner Flucht war er in Russland gestrandet und genießt dort Asyl. Der Zeitung „New York Times“ hatte er im Oktober 2013 gesagt, er habe keine geheimen Dokumente mit nach Russland genommen. Er habe im Juni in Hongkong vor der Weiterreise nach Russland alle Unterlagen an Journalisten übergeben. Er habe keine Kopien behalten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Russen oder Chinesen irgendwelche Dokumente bekommen haben, liegt bei null Prozent“, betonte Snowden in dem Interview. (ag.)

AUF EINEN BLICK

Russland und China haben sich Medienberichten zufolge in den Spionagedaten-Fundus des Informanten Edward Snowden gehackt. Der britische Auslandsgeheimdienst MI6 musste deshalb Agenten von Einsätzen in „feindlich gesinnten Ländern“ abziehen, berichtete die britische „Sunday Times“. Dem Bericht zufolge verschaffte sich etwa Russland Zugang zu mehr als einer Million Geheimdokumenten aus dem Snowden-Fundus. Auch China soll Zugriff zu verschlüsselten Dokumenten haben.

Snowden brachte vor mittlerweile zwei Jahren eine der größten Geheimdienstaffären ans Licht. Der heute 31-jährige Computerspezialist arbeitete zunächst für die CIA. Später wechselte er zu der Vertragsfirma Booz Allen Hamilton, wo er als externer Mitarbeiter bei der National Security Agency (NSA) beschäftigt war. Als Systemadministrator hatte er Zugriff auf viele Dokumente – und kopierte tausende Unterlagen. Insgesamt soll er 1,7 Millionen Datensätze gespeichert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2015)

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