Die Jagd auf Sudans Diktator schlug fehl

Sudan´s President Omar Hassan al-Bashir speaks to the crowd after a swearing-in ceremony at green square in Khartoum
Sudan´s President Omar Hassan al-Bashir speaks to the crowd after a swearing-in ceremony at green square in Khartoum(c) REUTERS (STRINGER)
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Omar al-Bashir, vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermords in Darfur gesucht, entzog sich beim Gipfel der Afrikanischen Union in Südafrika der Justiz.

Wien/Johannesburg. Als der Oberste Gerichtshof in Pretoria seine Verhandlungen nach einer Pause wieder aufnahm, war der Autokrat, um dessen Causa es gehen sollte, vermutlich bereits in der Luft. Die südafrikanischen Behörden beließen es zwar vorerst bei dürren und nebulösen Verlautbarungen, doch ein Sprecher Omar al-Bashirs, des sudanesischen Präsidenten, setzte derweil bereits eine Pressekonferenz Bashirs nach der Ankunft auf dem Flughafen der Hauptstadt Khartum an. Die Justiz in Den Haag, dem Sitz des Internationalen Strafgerichtshofes, und in Pretoria war düpiert, Südafrika stand in der Vorreiterfunktion für den Kontinent blamiert da: Der meistgesuchte Mann des Tribunals war entkommen.

Doch Omar al-Bashir, wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur – der Provinz im Westen des Sudan – ausgeschrieben, hatte beim Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Johannesburg einige bange Stunden zu überstehen. Trotz mancher Vorwarnung hatte sich der Diktator auf afrikanischem Boden sicher gewähnt. Es bestehe kein Risiko, ließ sein Außenminister wissen. Gastgeber Jacob Zuma, der in Verruf geratene Präsident Südafrikas, hatte seinem sudanesischen Kollegen diesmal Immunität zugesichert. Der Angelobung Zumas und der Eröffnung der Fußball-WM 2010 in Südafrika war Bashir aus Angst vor einer Verhaftung ferngeblieben. Seit der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag 2009 einen Haftbefehl gegen in ausgestellt hat, bleibt der Diktator ohnehin lieber zu Hause. Einen Trip nach Indonesien hat er kürzlich abgesagt, eine Reise nach Nigeria vorzeitig abgebrochen. Nur in den Staaten der Sahelzone, in Mali oder im Tschad, fühlt er sich noch einigermaßen willkommen.

In Johannesburg genoss der 71-jährige, im April mit einer erdrückenden Mehrheit von 94 Prozent wiedergewählte sudanesische Präsident indessen das Rampenlicht. Beim Gruppenfoto der afrikanischen Staats- und Regierungschefs der AU posierte er strahlend in der ersten Reihe – und dies, obwohl kurz zuvor eine südafrikanische Menschenrechtsorganisation einen Auslieferungsantrag an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen ihn eingebracht hatte. Die Vorsitzende des ANC, der dominierenden Partei Südafrikas, brachte ihm unter Ovationen eine Huldigung zu seiner Wiederwahl dar. Und Robert Mugabe, der amtierende AU-Vorsitzende und greise Präsident Simbabwes, ergriff mit einer Tirade gegen den Internationalen Strafgerichtshof dezidiert Partei für Bashir. Dessen Solidaritätsadresse erinnerte sogleich an den Beinamen der Afrikanischen Union als „Klub der Diktatoren“.

Fokus auf Afrika

Zu seiner Inauguration hatte Bashir jüngst Mugabe sowie die Staatschefs Ägyptens und Kenias, Abdel Fatah al-Sisi und Uhuru Kenyatta, eingeladen. Wegen seiner Rolle als mutmaßlicher Aufhetzer von Unruhen nach den Präsidentenwahlen 2007 in Kenia war Kenyatta selbst in Den Haag vorgeladen, der Strafgerichtshof stellte die Anklage aus Mangel an Beweisen allerdings ein. Das Tribunal gilt vielen in Afrika als imperialistisch und kolonialistisch, weil es den Fokus vor allem auf den afrikanischen Kontinent richtet. Unter den Angeklagten finden sich frühere Präsidenten wie Charles Taylor aus Sierra Leone oder Rebellenführer wie Joseph Kony, der Rädelsführer der Miliz Lord's Resistance Army.

Fatou Bensouda, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs und ehemalige Justizministerin aus Gambia, hatte sich schon oft vergeblich um eine Auslieferung Bashirs bemüht. Diesmal erhielt sie zumindest die geballte rhetorische Unterstützung des Westens – von der UNO, den USA und der EU. Sie hatten auch die Angriffe der Janjaweed-Milizen, der gefürchteten „Geisterreiter“, verurteilt, die seit 2003 marodierend durch Darfur zogen, um die schwarze, christlich geprägte Bevölkerung zu vertreiben oder zu ermorden. Rund 300.000 Menschen fielen Massakern zum Opfer, mehr als zwei Millionen schlugen die Milizen in die Flucht.

Als starker Mann des Regimes in Khartum klebt Omar al-Bashir, der sich im Sudan 1989 mithilfe seines islamistischen Mentors Hassan al-Turabi an die Macht geputscht hat, deshalb Blut an den Händen. Ein zweiter Genozid wie 1994 in Ruanda, so die Prämisse in Den Haag, dürfe sich in Afrika nicht mehr wiederholen. Bashir hat sich in Johannesburg der Verantwortung indes knapp entzogen.

AUF EINEN BLICK

Strafgerichtshof. Gegründet 1998 in Rom, ahndet der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag seit 2002 Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 134 Staaten sind dem Pakt beigetreten – die USA, China, Indien, Pakistan, die Türkei und Indonesien sind aber nicht darunter. Nicht ratifiziert haben das Abkommen Russland, Israel oder der Iran.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)

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