Hongkong: „Nein, nein, nein zur falschen Demokratie“

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Das Parlament in Hongkong soll die von Peking verordnete Wahlreform absegnen. Doch 28 Abgeordnete legen sich quer.

Peking/Hongkong. Carrie Lam droht, dann ist sie um sanfte Töne bemüht. Im nächsten Moment fleht die stellvertretende Regierungschefin von Hongkong die Abgeordneten geradezu an. Sollte die Reform scheitern, käme „die politische Entwicklung zum Stillstand“, warnt sie. Doch alles Bitten hilft nichts. Die oppositionellen Abgeordneten, die sich zum pandemokratischen Lager zusammengeschlossen haben, halten demonstrativ Schilder mit einem Kreuz hoch – als Zeichen für ihre ablehnende Haltung.

Neun Monate ist es her, dass zehntausende Hongkonger gegen die von der KP-Führung in Peking vorgesehene Wahlreform auf die Straße gingen. Das Gesetz soll den Bürgern der südchinesischen Sonderverwaltungszone das Recht geben, 2017 erstmals ihren Regierungschef selbst zu wählen. Allerdings will Peking die wenigen Kandidaten selbst bestimmen. Hongkong gehört zwar seit 1997 zur kommunistisch regierten Volksrepublik. Doch die ehemalige britische Kronkolonie genießt einen Sonderstatus mit Presse- und Meinungsfreiheit und eingeschränkter Demokratie. Diese Rechte werden den Menschen auf dem Festland verwehrt.

Occupy ins Parlament verlagert

Hongkongs Demokratiebewegung hält die Wahlreform für unzureichend und fordert „ehrliche freie und direkte Wahlen“. Im Rahmen der Aktion Occupy Central haben sie im Herbst elf Wochen lang das Regierungsviertel blockiert, um gegen das Gesetzespaket zu demonstrieren. Nun soll der Legislativrat, Hongkongs Parlament, über die Wahlreform entscheiden.

Doch bereits beim Auftakt der Sitzung am Mittwochmorgen geht es hoch her. Vor dem Parlamentsgebäude haben sich hunderte Demokratieaktivisten versammelt. Aber auch Anhänger der prochinesischen Seite sind anwesend. Die Sicherheitskräfte haben große Mühe, beide Lager auseinanderzuhalten. Immer wieder kommt es zu gegenseitigen Beschimpfungen. Der Abgeordnete Alan Leong ruft die Anhänger der Demokratiebewegung auf, nicht aufzugeben und „entschlossen weiterzukämpfen“. Und auch im Parlamentsgebäude kommt es zu Tumulten. „Nein, nein, nein zur falschen Demokratie“, rufen die prodemokratischen Abgeordneten.

Von den insgesamt 70 Abgeordneten des Legislativrats haben zwar die Befürworter der Wahlreform eine Mehrheit; die Hälfte der Mitglieder werden nicht frei gewählt, sondern kommen aus berufsständischen, zumeist Peking-treuen Vertretungen oder werden direkt von der chinesischen Führung ernannt. Doch zur Verabschiedung dieses Gesetzespakets wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Und insgesamt 28 Abgeordnete sind gegen die Wahlreform.

Der Politikwissenschaftler Sonny Lo hält es daher für unwahrscheinlich, dass diese Reform im Parlament durchkommt. Hongkongs offizieller China-Vertreter, Son Ru'an, hat zu Wochenbeginn mit nicht näher genannten „Konsequenzen“ gedroht, falls die pandemokratischen Abgeordneten geschlossen gegen das geplante Wahlrecht stimmen sollten.

Genau auf eine solche Eskalation setzen die prodemokratischen Kräfte aber. Sie rechnen sich aus, dass der in der Hongkonger Bevölkerung ohnehin verhasste derzeitige Regierungschef, Leung Chun-Ying, eine solche Schlappe politisch nicht überleben wird und die Wahlreform neu verhandelt werden muss. Und auch seine Stellvertreterin, Carrie Lam, die in den vergangenen Monaten ebenfalls erheblich an Popularität eingebüßt hat, müsste ihren Posten räumen. Beide haben nach Ansicht der Demokraten nicht hart genug mit Peking verhandelt.
Mit einer Abstimmung im Legislativrat wird spätestens am Freitag gerechnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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