Wahlreform: Hongkongs Pro-Peking-Lager blamiert Peking

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Das Hongkonger Parlament hat das umstrittene Wahlgesetz abgelehnt. Das Pro-Peking-Lager glänzte durch Abwesenheit – aus Versehen.

Peking. Alle 28 prodemokratischen Abgeordneten stimmten gegen die Wahlreform. Das hatten sie so angekündigt. Schon damit kam die notwendige Zweidrittelmehrheit für die von Peking vorgesehene Wahlreform für Hongkong nicht zustande. Was bei der Abstimmung am Donnerstag im Hongkonger Parlament trotzdem überraschte: Nur acht Abgeordnete des Peking-freundlichen Regierungslagers stimmten dafür. Alle anderen gaben ihre Stimme nicht ab. Sie waren gar nicht anwesend.

Von einem „Missverständnis“ ist später bei den sichtlich entsetzten Abgeordneten des Regierungslagers die Rede. James Tien von der Liberalen Partei sagte, er habe keine Ahnung, was mit dem Rest der Gruppe los gewesen sei, die plötzlich die Kammer verlassen habe. Ein anderer Abgeordneter entschuldigte sich. „Wir hatten ein Kommunikationsproblem“, sagte er mit Tränen in den Augen.

Was genau passiert ist: Nach einem fast zehnstündigen verbalen Schlagabtausch hatte Parlamentspräsident Jasper Tsang die Debatte am Vormittag überraschend für beendet erklärt und zur Abstimmung aufgerufen. Einer der Peking unterstützenden Abgeordneten wollte eine Unterbrechung der Sitzung beantragen, weil sein Parteifreund nicht anwesend war. Tsang gewährte sie nicht. 30 Abgeordnete aus dem Pro-Peking-Lager hatten zu diesem Zeitpunkt aber bereits den Saal verlassen. Die Wahl wurde vollzogen.

Was für eine Blamage für das Pro-Peking-Lager, was für eine Schlappe für die Führung in Peking: Noch am Vortag hatte Hongkongs stellvertretende Regierungschefin, Carrie Lam, das prodemokratische Lager angefleht, für die Wahlreform zu stimmen. Hongkongs Demokratisierungsprozess würde um Jahre zurückgeworfen werden.

Auslese durch Pekings Führung

Die von Peking gewollte Wahlreform sorgt seit mehr als einem Jahr für erhebliche Kontroversen in Hongkong. Das Gesetz soll den Bürgern der südchinesischen Sonderverwaltungszone zwar das Recht geben, 2017 erstmals in der Geschichte ihren Verwaltungschef selbst zu wählen. Allerdings will die chinesische Führung die Kandidaten vorab aussuchen. Das prodemokratische Lager fordert hingegen eine freie Kandidatenkür. Bei monatelangen Protesten gingen im vergangenen Jahr zeitweise hunderttausende Hongkonger gegen diese aus ihrer Sicht unzureichende Wahlreform auf die Straße. Studenten und Schüler legten mit Protestcamps Teile des öffentlichen Lebens lahm.

Die chinesische Führung reagiert auf diese Blamage im Hongkonger Parlament merklich verschnupft. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums betonte zwar, Peking unterstütze auch weiterhin den Plan, den Regierungschef durch eine eingeschränkte Direktwahl bestimmen zu lassen. Aber in einem Kommentar der regierungsnahen Zeitung „Global Times“ heißt es: „Hongkong hat seine Chance verspielt.“ Es werde so schnell keinen neuen Plan geben.

Bei der nächsten Wahl 2017 dürfte damit wie bisher ein mehrheitlich Peking-treues Wahlgremium Hongkongs Regierungschef bestimmen. Ein wenn auch nur kleiner Sieg für die Pro-Demokraten. Sie sagen sich: Wenn schon keine freie Wahl, dann lieber gar keine Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2015)

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