Zum Tode verurteilter 21-Jähriger entschuldigt sich bei Opfern.
Boston. Monatelang hatte er geschwiegen. Umso überraschter dürften die Menschen im Gerichtssaal gewesen sein, als Dzhokhar Tsarnaev am Mittwoch zum Prozessende das Wort ergriff: „Ich möchte mich jetzt bei den Opfern und bei den Überlebenden entschuldigen“, sagte der 21-Jährige. „Ich bereue, dass ich ihr Leben genommen habe, und das Leid und den Schaden, den ich angerichtet habe“, sagte Tsarnaev. „Ich bete zu Allah, dass er Erbarmen mit den Verstorbenen hat. Ich bitte Allah, mit mir, meinem Bruder und meiner Familie Erbarmen zu haben.“ Zuvor hatten sich mehrere Überlebende und Angehörige direkt an Tsarnaev gewandt: „Die Entscheidungen, die du getroffen hast, sind verachtenswert“, sagte Patricia Campbell dem Mann, der ihr die Tochter genommen hat. Bundesrichter George O'Toole besiegelte nach Tsarnaevs Rede das im Vormonat von einer Geschworenenjury gegen den 21-Jährigen verhängte Todesurteil. Er soll per Giftspritze hingerichtet werden.
Die Geschworenen hatten Dzohkhar Tsarnaev für schuldig befunden, gemeinsam mit seinem später getöteten Bruder Tamerlan im Zielbereich des Boston-Marathons zwei selbst gebaute Sprengsätze zur Explosion gebracht zu haben. Drei Menschen wurden bei dem schwersten Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001 getötet, mehrere der 264 Verletzten verloren Arme oder Beine. Auf der Flucht erschoss das aus einer tschetschenischen Familie stammende Brüderpaar einen Polizisten und entführte einen Autofahrer. Tamerlan wurde bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei getötet, Dzhokhar vier Tage nach dem Anschlag festgenommen. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)