Tunesien: Nach zwei Anschlägen bleiben die Touristen aus

Terrorismus am Strand: Touristen zögern nach Attentaten mit einer Buchung nach Tunesien.
Terrorismus am Strand: Touristen zögern nach Attentaten mit einer Buchung nach Tunesien.(c) APA/EPA/ANDREAS GEBERT
  • Drucken

Tunesien fürchtet um ein Viertel seiner Tourismus-Umsätze. Eine deutsche Urlauberin will in Sousse einen zweiten Attentäter gesehen haben.

Zwei grausame Terror-Anschläge musste Tunesien in den letzten drei Monaten erdulden - Ziel waren beide Male Touristen: Letzten Freitag am Strand nahe Sousse und Monate zuvor im Bardo-Museum in Tunis. Tourismusministerin Salma Loumi erwartet einen massiven Umsatzrückgang im Tourismus. Rund 460 Millionen Euro  weniger könnten es dieses Jahr weniger sein - ein Viertel weniger als angenommen.

Tunesien nahm im vergangenen Jahr etwa 1,75 Milliarden Euro mit Tourismus ein. Dieser Wirtschaftssektor macht rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts des arabischen Landes aus. Grund genug für die Regierung, mit steuerlichen Maßnahmen die Touristen wieder anzulocken. So soll die Besuchssteuer abgeschafft werden. Auch ein Schuldenerlass für Hotels in Finanznöten wird erdacht, um die Branche zu stützen.

Buchungen seit März massiv zurückgegangen

Weil der Anschlag auf das Bardo-Nationalmuseum noch in den Köpfen potentieller Touristen präsent war, setzten die Veranstalter zuletzt vor allem auf Lastminute-Buchungen und warben mit den unschlagbaren Preisen in Tunesien, um die diesjährige Saison noch zu retten. "Der Anschlag auf das Bardo-Museum war bereits schwierig, aber jetzt wurden die Touristen am Strand getötet", sagte ein französischer Branchenfachmann der Nachrichtenagentur AFP. "Das ist es, was die Leute abends im Fernsehen sehen, und natürlich wollen sie dort dann nicht ihren Urlaub verbringen."

Im April - einen Monat später - war nach Angaben der tunesischen Zentralbank bereits ein Rückgang von 25,7 Prozent bei den Touristenzahlen im Vergleich zum Vorjahr registriert worden. Bei den touristischen Deviseneinnahmen war es ein Rückgang um 26,3 Prozent. Im Mai dieses Jahres waren die Hotelketten in Tunesien zu 44,9 Prozent belegt, im Mai 2010 waren es es noch 72,6 Prozent.

Zeugin will zweiten Attentäter gesehen haben

Eine deutsche Urlauberin ist überzeugt davon, dass es bei dem Terroranschlag mindestens zwei Angreifer gegeben hat. "Ich bilde mir doch nichts ein", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Montag-Ausgabe), als die Münchnerin dem Blatt ihre Flucht vor dem Todesschützen vergangenen Freitag vom Strand ins Hotel schilderte.

Sie wollte sich demnach vor dem mit einer Kalaschnikow bewaffneten Attentäter retten, als dieser am Strand bereits zu schießen begonnen hatte. Während sie bei ihrer Flucht weiter die Schüsse von ihm hörte, sei plötzlich ein weiterer Bewaffneter hinter ihr gestanden.

In der bisher öffentlich diskutierten Version der Ereignisse bei dem Terroranschlag am vergangenen Freitag nahe Sousse ist von einem Angreifer, der 38 Menschen erschossen hat, die Rede. Am gleichen Tagen hatten Quellen berichtet, ein zweiter mutmaßlicher Täter sei festgenommen worden. Später war von einem Schützen die Rede, dem 23-jährigen tunesischen Studenten Seif (Seifeddin) Rezgui, den Sicherheitskräfte töteten. Noch am Freitagabend sagte ein Sprecher vom Innenministerium, es gebe keine "offiziellen Verhaftungen" von weiteren Tatverdächtigen.

Kritik an deutschen Behörden

Abgesehen davon übte die Urlauberin heftige Kritik an den deutschen Behörden und warf ihnen Untätigkeit unmittelbar nach dem Anschlag vor. Während sich neben anderen belgische und britische Diplomaten um ihre Landsleute kümmerten, sei das bei den deutschen nicht der Fall gewesen. Auch habe sich kein Amtsträger blicken lassen.

"Nicht einmal ein Psychologe ist da", kritisierte die Münchnerin demnach und verwies auf die 83-jährige Mutter von einem der beiden deutschen Todesopfer. Sie habe ebenfalls keine Hilfe erhalten. "Zumindest um sie hätte man sich kümmern können", so die Münchnerin.

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hotel workers observe a minute's silence in memory of those killed in a recent attack by an Islamist gunman, at a beach in Sousse
Außenpolitik

"Befinden uns im Krieg": Tunesien verhängt Ausnahmezustand

Ein tunesischer Student hat vergangene Woche an einem Strand in Port El Kantaoui nahe Sousse 38 Menschen erschossen.
Außenpolitik

Wenn Urlauber zum Ziel von Terroristen werden

Von Luxor 1997 bis Tunesien 2015: Touristen geraten in Nordafrika schon mehrfach ins Visier des Terrors. Ein kurzer Überblick.
TUNISIA BOMBING AFTERMATH
Außenpolitik

Festnahmen nach Blutbad am Hotelstrand

Eine "bedeutende Anzahl von Menschen aus dem Netzwerk" des Täters wurde gefasst, erklärte Tunesiens Innenminister.
Außenpolitik

"Haltet ihn! Haltet ihn!": Video zeigt Anschlag auf Urlauber

Ein Amateur-Video hat den Schrecken von Sousse festgehalten. Schüsse und Explosionen sind zu hören. Die Angreifer sind nicht in Eile.
Gedenken an die Opfer
Außenpolitik

Terror in Tunesien: Vater des Täters distanziert sich

Bei dem Angriff auf ein Strandhotel im tunesischen Sousse wurden 38 Menschen erschossen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.