Syrische Flüchtlingskinder als Sklavenarbeiter

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Syrische Flüchtlinge in Jordanien und im Libanon geraten immer mehr unter Druck: Kinderarbeit und -heirat sind weit verbreitet, damit die Familie überleben kann.

Wien. Die Lage der syrischen Flüchtlinge in Jordanien und auch im Libanon verschlechtert sich zusehends: Immer mehr Kinder müssen arbeiten gehen, um ihre Familien finanziell über Wasser zu halten. Und immer mehr Mädchen werden von ihren Eltern früh zur Heirat gedrängt, damit sie „versorgt“ sind.

Das geht aus zwei voneinander unabhängigen Berichten der Hilfsorganisation Care sowie der Kinderhilfsorganisation der Vereinten Nationen (Unicef) hervor. Studienautorin und Care-Mitarbeiterin Beatrix Bücher hat dazu Interviews mit 1300 Familien geführt, die seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor fünf Jahren ins Nachbarland Jordanien geflohen sind und dort versuchen, über die Runden zu kommen. Etwa ein Drittel der schulpflichtigen syrischen Kinder geht nicht zur Schule: Entweder können sich die Eltern Schulbus und Bücher nicht leisten oder die Kinder werden aus der Schule genommen, damit sie arbeiten gehen können. „Betroffen sind vor allem männliche Jugendliche“, sagt Bücher im Gespräch mit der „Presse“. „Sie finden eher Arbeit.“

Viele schuften in der Landwirtschaft oder in den kleinen Shops, Restaurants und Cafés der Städte. Kleinere Kinder verkaufen auf der Straße Blumen oder Taschentücher. „Damit verdienen sie aber kaum etwas, sind aber verschiedenen Gefahren ausgesetzt“, so Bücher.

Kürzung der Lebensmittelhilfe

Mehr als 600.000 syrische Flüchtlinge leben derzeit in Jordanien. Ihre Situation ist laut Studie innerhalb eines Jahres wesentlich schlechter geworden: Mehr als die Hälfte kann nicht mehr genügend Nahrungsmittel kaufen. Grund dafür sind die Kürzungen der Lebensmittelgutscheine des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Der Rückgang der internationalen Unterstützung zeigt Auswirkungen: Mehr als zwei Drittel der syrischen Flüchtlinge sind unter die Armutsgrenze gerutscht. Acht von zehn Familien können nicht das Geld für die Unterkunft aufbringen. 80Prozent der Flüchtlinge in Jordanien leben in meist äußerst desolaten Wohnungen in den Armenvierteln der Städte. Viele müssen mehr als 50Prozent ihres Haushaltsbudgets allein für die Miete ausgeben.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Unicef-Studie: In mehr als der Hälfte der befragten Haushalte sind die Kinder wichtige oder gar die einzigen Geldverdiener. Einige Arbeitgeber würden Kinder als Arbeitskräfte bevorzugen, weil sie billiger seien als Erwachsene. Laut Unicef werden Kinder auch als Soldaten rekrutiert und als Sklavenarbeiter verkauft.

Sowohl Unicef als auch Care kommen zum selben Schluss: Da Erwachsene keine Arbeitserlaubnis in ihren Zufluchtsländern bekommen, wird sich die Situation der geflüchteten Kinder zusehends verschärfen. Einzige Auswege sind die Aufstockung internationaler Hilfsprogramme und die Öffnung des Arbeitsmarktes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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