Atomstreit: Das große Warten auf Catherine Ashton

U.S. Secretary of State Kerry, EU Foreign Policy Chief Ashton, and Iran´s Foreign Minister Zarif participate in a trilateral meeting in Vienna
U.S. Secretary of State Kerry, EU Foreign Policy Chief Ashton, and Iran´s Foreign Minister Zarif participate in a trilateral meeting in Vienna(c) REUTERS (POOL)
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Die Verhandlungen im Atomstreit mit dem Iran gehen in die heiße Phase. Die Außenminister halten sich für einen Durchbruch bereit. Die Beiziehung der früheren EU-Außenbeauftragten könnte den Deal besiegeln.

Wien. Vor dem heißesten Wochenende des Jahres, an dem auch die langwierigen und teils lähmenden Atomverhandlungen mit dem Iran womöglich in die heiße Phase gehen, herrschte vor dem Palais Coburg in der Wiener Innenstadt ein Kommen und Gehen der Außenminister, die mit ihren schwarzen Limousinen zwischen ihren Hotels, der Hofburg und dem Verhandlungsort hin- und herpendelten. Die einen flogen zwischendurch kurz heim, wie der Franzose Laurent Fabius und der Deutsche Frank-Walter Steinmeier, wo sie sich bereithielten für die Stunde der Wahrheit. Die anderen blieben in Wien, wie die Hauptkontrahenten im Verhandlungspoker, die für die Hardliner in ihrer Heimat einen zu jovialen Umgang miteinander pflegen: der Iraner Mohammad Javad Zarif und der US-Amerikaner John Kerry.

Anstandsbesuch bei Fischer

Zarif winkte den Journalisten vom Balkon aus zu, verbunden mit einer freundlichen, aber eher nichtssagenden Wortspende, die um einen optimistischen Grundton bemüht war. Am Freitag machte er sich mit seiner Entourage zu einem Anstandsbesuch bei Bundespräsident Heinz Fischer auf. Das gehört in der Welt der Diplomatie zur Usance, und erst recht in den traditionell guten Beziehungen zwischen Wien und Teheran. Für den Fall eines Verhandlungserfolgs in Wien hat sich Fischer als mutmaßlich erster hochrangiger Besuch aus dem Westen im Herbst in der iranischen Hauptstadt angesagt.

Am Montag war Zarif kurz selbst zu Konsultationen nach Teheran entschwunden, um ein Plazet des obersten geistlichen Führers, Ayatollah Ali Khameneis, einzuholen und sich mit Präsident Hassan Rohani abzusprechen. Rohani, vor einem Jahrzehnt selbst Verhandlungsführer der iranischen Delegation und daher mit der Materie bestens vertraut, schickte zum Wochenende seinen Kabinettschef nach Wien. Über seinen Bruder, der dem Verhandlungsteam angehört, ist er über den Stand der Dinge indes auf dem Laufenden.

US-Außenminister John Kerry hält sich derweil seit einer Woche in Wien auf. Er nutzte die Zeit für ein Gespräch mit seinem russischen Konterpart, Sergej Lawrow, über allerlei internationale Streitthemen – insbesondere über den Ukraine-Konflikt. Zur Eröffnung der US-Botschaft in Havanna am 20. Juli kündigte er sich höchstpersönlich an. Bis dahin, so der Zeitplan mit dem 7. Juli als Deadline für die Atomgespräche, sollte der Deal mit dem iranischen Regime nach langer Vorlaufzeit und dem Rahmenabkommen in Genf vor drei Monaten fix und fertig sein. In der Zwischenzeit fand der sportliche Ex-Präsidentschaftskandidat der Demokraten, seit einem Beinbruch bei einem Radunfall rekonvaleszent und auf Krücken angewiesen, sogar bei einem Ausflug in den Prater Zeit für ein wenig Muße in der Sonne.

200 Jahre nach Ende des Wiener Kongresses übt sich Österreich indessen gekonnt in der Rolle des Gastgebers. Außenminister Sebastian Kurz dinierte mit Steinmeier, um sich unter anderem für dessen Engagement für den Verhandlungsort Wien zu bedanken. Mit Fabius und Co. pflegte er einen regen Austausch. Am Donnerstag begab sich Kurz dann zum Westbahnhof, um den chinesischen Außenminister, Wang Yi, zu begrüßen. Pekings Chefdiplomat hatte für die Anreise aus Paris den Zug gewählt – ein Mittel der Entschleunigung im Zeitalter der Globetrotter-Diplomatie.

Das Medienzelt am Theodor-Herzl-Platz, dem Vorplatz vis-à-vis vom Stadtpark, hat sich auch angesichts der Spekulationen aufgeheizt. Journalisten aus aller Welt warten auf den endgültigen Durchbruch, und sie werden von Tag zu Tag vertröstet mit dürren Statements der Außenminister, die vor dem Palais Coburg quasi die Wasserstandsmeldungen zum jeweiligen Verhandlungstag abgeben. Atmosphärisch verdichtet sich die Stimmung, der Druck und der Erwartungspegel steigen, je näher die Deadline rückt.

Vorerst sind die Unterhändler am Zug

Die Einschätzungen der Minister und der EU-Außenbeauftragten, Federica Mogherini, schwanken zwischen vorsichtigem Optimismus und hinhaltendem Kalkül, und mitunter mischt sich gar ein wenig Euphorie in die Reaktionen. So streute Teherans Propagandaabteilung, IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano habe bei seiner Visite im Iran eine Einigung über die Inspektion der Militäranlagen erzielt – dies wäre tatsächlich eine Erfolgsnachricht angesichts des hartnäckigen Widerstands Khameneis gegen derlei Kontrollen. Aus der russischen Delegation verlautete, das Abkommen sei „zu 91 Prozent fertig“.

Während Kritiker in den USA und Israel Kerry eine zu große Bereitschaft zu Konzessionen gegenüber dem Iran nachsagen, kam Fabius bisher stets der Part des Skeptikers und Mahners zu. Er gab zu verstehen, sich erst am Sonntagabend wieder in die Gespräche einzuklinken – ein Hinweis darauf, dass die Außenminister damit rechnen, die am Dienstagabend auslaufende Frist auszureizen. Vorerst sind also wieder die Unterhändler am Zug und nicht die politischen Chefverhandler, die für den Showdown Catherine Ashton, die frühere EU-Außenbeauftragte, einfliegen werden. Erst mit ihrer Ankunft könnte die Stunde der Entscheidung schlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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