Deutschland: AfD am rechten Scheideweg

Lucke founder and co-chairman of AfD sits next to AfD co-chairman Petry during party congress in Essen
Lucke founder and co-chairman of AfD sits next to AfD co-chairman Petry during party congress in Essen(c) REUTERS (WOLFGANG RATTAY)
  • Drucken

Mit der Wahl von Frauke Petry hat sich die eurokritische Partei für einen Rechtsruck entschieden. Ihr Widersacher, Bernd Lucke, könnte die Partei endgültig spalten.

Wien/Essen. Nicht zuletzt war es der Islam, der Bernd Lucke und Frauke Petry auseinandergebracht hat. Der Islam, so Petry, sei per se eine staatsfeindliche Religion. Die Aussage Petrys, so Lucke, sei islamfeindlich und „eine Ausgrenzung muslimischer Mitbürger“. In diesem Stil streiten sich Lucke und Petry schon seit Monaten in aller Öffentlichkeit, und im Kern geht es um nichts weniger als die künftige Ausrichtung ihrer eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD).

Nun hat dieser interne Machtkampf am Wochenende auf dem Parteitag in Essen ein vorläufiges Ende gefunden: Mit 60Prozent wurde die nationalkonservative Petry zur neuen Vorsitzenden gewählt. Die Mitglieder haben Luckes liberal geltenden Absichten eine deutliche Abfuhr erteilt; allein seine halbstündige Rede wurde mit Buhrufen quittiert, zeitweise konnte er vor lauter Zwischenrufen gar nicht weiterreden, zumal Lucke bei der Ansprache seine Initiative „Weckruf 2015“ verteidigt hat. Damit wollte der AfD-Mitbegründer die Parteilinien klar definieren und seriöser gestalten. Aus der AfD solle keine „radikale, sektiererische Partei von Wutbürgern“ werden. Lucke will etwa die AfD mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung lieber nicht in Verbindung bringen. Die Anhänger Petrys hingegen wollen auf Pegida zugehen.

„Keinen Schnellschuss machen“

Jedenfalls sah ein Teil der Parteimitglieder in der Initiative die Vorbereitung zu einer Spaltung, wiewohl Lucke das oftmals verneint hatte. Nun scheint ebendiese Spaltung keine Fantasie mehr zu sein. Nach Petrys Wahl verließen Lucke-Anhänger wutschnaubend den Saal und kündigten ihren Parteiaustritt an. Am Sonntag drohte dann Lucke selbst mit einem Abgang, nur um dann mitzuteilen: „Ich werde keinen Schnellschuss machen.“ Während seiner Rede kam es zu tumultartigen Szenen im Saal, bis die Sicherheitsleute eingriffen und Lucke vor die Tür begleiteten. Und währenddessen tauchte immer wieder die Frage auf: Ist Lucke noch Mitglied oder nicht? Gründet er seine eigene Partei? Darüber wurden am Sonntag alle möglichen Versionen verbreitet, die bisweilen in Jubelrufen geendet haben (nach dem Gerücht, dass Lucke ausgetreten sei). Lucke hingegen ließ ausrichten, dass er über die Konsequenzen der Wahl noch nachdenken wolle.

Die künftige Zusammenarbeit mit Petry – bisher haben sich beide den Parteivorsitz geteilt – scheint aber ausgeschlossen zu sein, zu unterschiedlich sind die Vorstellungen über die Zukunft der Partei. Darüber täuschte auch der freundschaftliche Handschlag zwischen Lucke und Petry nach der Wahl nicht hinweg. „Eine Art von Vereinigung wie den ,Weckruf‘, der einen Parteiverein innerhalb der eigenen Partei darstellt“, dürfe es in Hinkunft nicht mehr geben, so Petry. Lucke hingegen sieht die AfD weit nach rechts driften, in Richtung des rechtsextremen französischen Front National etwa.

Grenzkontrollen einführen

Petry, die 40-jährige Chemikerin, ist die Landesvorsitzende in Sachsen, wo auch die Pegida-Bewegung ihren Ausgang genommen hat. Ihre Agenden lesen sich denn auch wie eine Antwort auf Pegida-Anforderungen: sehr oft geht es um die Themen Ausländer, Islam, Asyl und Sicherheit. In der Vergangenheit ist sie mit Forderungen aufgefallen, die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Polen bzw. Tschechien wieder einzuführen sowie das Abtreibungsrecht strenger zu regeln. Für deutsche Familien sollten drei Kinder erstrebenswert sein. Sie selbst hat vier Kinder, ist mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet. Für die AfD hat Petry ein hehres Ziel: Sie will die Partei wieder vereinen, mit einem Team „aus wirtschaftsliberalen, liberalen und konservativen Köpfen, ein Team, das konstruktiv zu arbeiten bereit ist“. Als ihr Ko-Vorsitzender wurde auf dem Parteitag der Volkswirtschaftsprofessor Jörg Meuthen gewählt. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Alternative fuer Deutschland Petry smiles in front of the party's logo at the party congress in Essen
Außenpolitik

Neue Vorsitzende der eurokritischen Partei AFD gewählt

Die bisherige Co-Vorsitzende setzte sich am Samstag in Essen gegen AfD-Mitbegründer Bernd Lucke mit 60 Prozent der Stimmen durch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.