Atomgipfel: Marathongespräche gehen in Verlängerung

U.S. Secretary of State Kerry answers journalists questions in Vienna
U.S. Secretary of State Kerry answers journalists questions in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Bei Atomverhandlungen im Palais Coburg zeichnet sich Verschiebung der Deadline bis Donnerstag ab. Unterzeichnung eines Abkommens gilt indes als wenig wahrscheinlich. Als diplomatische Drehscheibe hat Wien aber bereits profitiert.

Wien. Die Marathonverhandlungen bei den Wiener Atomgesprächen könnten neuerlich in eine Verlängerung gehen. Nachdem die ursprüngliche, für den 30.Juni angesetzte Frist bereits bis heute, Dienstag, prolongiert worden war, haben die Verhandler angesichts weiterer offener Punkte jetzt den Mittwoch oder gar den Donnerstag als Deadline ins Auge gefasst. Der 9.Juli gilt als Stichtag für die US-Delegation, um eine 30-Tage-Frist für eine Vorlage des Vertrags im Kongress vor dessen Sommerpause einzuhalten.

Die Chancen für eine Unterzeichnung in Wien würden indessen schwinden, verlautete aus diplomatischen Kreisen. Sollte ein Abkommen im Atomstreit zwischen den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland und der EU mit dem Iran zustande kommen, könnte die Abschlusszeremonie vor der Kulisse der Generalversammlung in der UN-Zentrale am East River Ende September in New York über die Bühne gehen. Dies hatte sich der Iran gewünscht, um der historischen Dimension einer Einigung nach 13-jährigen Verhandlungen und einer mehr als drei Jahrzehnte langen Eiszeit mit den USA einen passenden Rahmen zu geben. Vom Verhandlungsort Wien bliebe dann bestenfalls der Titel des Vertragswerks – etwa „Wiener Abkommen“.

Streitfrage UN-Waffenembargo

Rund 80Seiten umfasst der Vertragsentwurf nach Angaben aus Verhandlungskreisen. Zwar hätten beide Seiten in einigen Streitfragen Fortschritte erzielt, wie der iranische Außenminister, Mohammad Javad Zarif, und sein US-Widerpart, John Kerry, konzedierten. Man sei so nah an einer Einigung wie nie zuvor, hieß es unisono. Doch bei den Details über eine Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran und den Inspektionen der iranischen Nuklear- und Militäranlagen spießt es sich weiterhin. Zuletzt rückte ein Punkt in den Fokus, der bisher nicht im Vordergrund gestanden ist: Der Iran pocht auf die Aufhebung des UN-Waffenembargos, insbesondere für das Raketenprogramm.

So drehten sich auch am Montag die Gespräche der Außenminister stundenlang um einen Kompromiss für eine politische Lösung. Die Hauptkontrahenten Kerry und Zarif hatten schon am Wochenende im Palais Coburg intensive Verhandlungen geführt. Um die Skeptiker in der Heimat einstweilen ruhigzustellen, hatte Kerry damit gedroht, die Gespräche notfalls platzen zu lassen. Gestern stießen auch die übrigen Protagonisten dazu: die Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius, Philip Hammond, Sergej Lawrow und der Chinese Wang Yi sowie Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte.

Ein Szenario sah eine schrittweise Umsetzung des Abkommens vor, die sich über Monate vollziehen und eine Überprüfung der Vereinbarungen garantieren sollte – vor allem bei der Kontrolle der Nuklearanlagen, aber auch bei der Frage nach der iranischen Atomforschung in der Vergangenheit.

Erfolg für österreichische Diplomatie

Das österreichische Außenministerium wertet die Atomgespräche allerdings schon jetzt als einen Erfolg für den Standort Wien als diplomatische Drehscheibe – seit Längerem ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik. Ohne Aufhebens hat sich Wien im Syrien- und auch im Transnistrien-Konflikt als Plattform für Friedensgespräche zur Verfügung gestellt. Am Sonntag lud Außenminister Sebastian Kurz die Medienvertreter von CNN und NBC bis zur iranischen Presse via Twitter zum Brunch ins Ministerium. Schnitzel und Energydrinks sollten ihre Ausdauer bei den Nukleargesprächen stärken – und nebenbei für den Gastgeber werben.

Eine Analyse bezifferte den Werbewert des diplomatischen Reigens in Wien – ohne die Umwegrentabilität – auf 100 Millionen Euro. „Eine Investition, die sich lohnt“, lautet das Fazit im Außenamt. Dass John Kerry seit zehn Tagen sein Hauptquartier in Wien aufgeschlagen hat und von hier aus die Weltpolitik kommentiert – von Havanna bis Kiew – hat einen positiven Nebeneffekt für Wien.

Es sei ein hartes Ringen gewesen, Österreich in Konkurrenz zur Schweiz oder auch Dänemark ins Spiel und das Finale der Atomgespräche letztlich nach Wien zu bringen, heißt es im Ministerium – und dies sei nicht zuletzt Philip Hammond, dem britischen Chefdiplomaten, und Steinmeier zu verdanken. Gerade in der Diplomatie sei die persönliche Chemie nicht zu unterschätzen. Das Palais Coburg in Wien sei – wie schon im Juli und November des Vorjahres – als Verhandlungsort schon fix gewesen, als wenige Tage vor Beginn der Gespräche noch einmal Genf den Teilnehmern, allen voran den USA, Avancen gemacht habe.

„Wir sind für alles gewappnet“

Bisher hatten insbesondere die USA eine Präferenz für die Schweiz gezeigt – auch aus einer historischen Verpflichtung heraus. Beim Abbruch der diplomatischen Beziehungen, beispielsweise nach der Geiselaffäre in der Teheraner US-Botschaft 1979, agierte die Schweiz oft als Unterhändler für die USA. Die letzte Iran-Verhandlungsrunde hat dann auch in Lausanne stattgefunden. Genf genießt als zweiter UN-Sitz ohnehin seit Jahrzehnten ein internationales Renommee als Kulisse für Friedensverhandlungen über Syrien, Libyen oder eben den Iran.

„Wenn es einen Deal geben sollte, sind wir stolz“, lautet der Tenor im Außenamt – selbst wenn die Zeremonie woanders stattfindet. Dennoch: „Wir sind für alles gewappnet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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