Javad Zarif: Das sympathische Gesicht des Mullah-Regimes

AUSTRIA NUCLEAR TALKS E3/EU+3 AND IRAN
AUSTRIA NUCLEAR TALKS E3/EU+3 AND IRAN(c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Irans Außenminister könnte Geschichte schreiben. Der freundliche Chefdiplomat mit US-Erfahrung war schon vor zwölf Jahren federführend an Atomverhandlungen beteiligt.

Wien/Teheran. Federica Mogherini blieb es vorbehalten zu verkünden, was bereits zu Wochenbeginn absehbar war. Die EU-Außenbeauftragte aus Italien kündigte die abermalige Verlängerung der Atomgespräche in Wien um einige Tage an. Die Deadline wäre in der Nacht auf Mittwoch ausgelaufen. Wie bei derartigen Verhandlungen üblich, die auf Spitz und Knopf stehen, werde die Uhr gestoppt, heißt es in Diplomatenkreisen.

So bleibt jetzt womöglich noch bis zum Wochenende Zeit, die letzten heiklen Punkte zu klären. Neben den Modalitäten um die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran und die Inspektion der Nuklear- und Militäranlagen brachte die iranische Delegation zuletzt auch das Ende des UN-Waffembargos und der Sanktionen gegen das konventionelle Raketenprogramm aufs Tapet.

Diplomatischer Chefarchitekt

Noch am Dienstag reiste die Mehrzahl der Außenminister aus Wien ab, um sich für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch bereitzuhalten, sobald sich Fortschritte in den Knackpunkten abzeichneten. Eine Schlüsselfigur der Verhandlungen, der iranische Außenminister, Mohammad Javad Zarif, blieb indessen in Wien. Zarif ist so etwas wie das sympathische Gesicht Teherans. Selbst bei den kurzen TV-Einblicken in den Verhandlungssaal des Wiener Palais Coburg plaudert er stets gut gelaunt und freundlich mit seinem Gegenüber.

Irans Chefdiplomat darf hoffen, in dieser Woche für die Islamische Republik Weltgeschichte zu schreiben, wenn es gelingt, den Atomvertrag mit den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland über die letzten Hürden zu hieven. Noch nie zuvor war eine iranische Führung dem Ziel so nah, ihre Nation aus der jahrelangen Isolierung herauszuführen und wieder zu einem anerkannten Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu machen.

Chefarchitekt dieser diplomatischen Zeitenwende ist – neben Präsident Hassan Rohani – vor allem der weltgewandte Zarif, der sich schon als Jugendlicher den Zielen der Islamischen Republik verschrieben hat. Geboren 1960 in Teheran, studierte er in den Vereinigten Staaten an den Universitäten von San Francisco und Denver, wo er 1988 über das Thema „Sanktionen in internationalem Recht“ promovierte. In seiner populären Autobiografie mit dem Titel „Herr Botschafter“ bekannte er, als Sohn aus tief religiösem Haus bis zum 15. Lebensjahr niemals Musik gehört zu haben. In den USA habe seine Frau, eine kämpferische Anhängerin des Staatsgründers Ayatollah Khomeini, zehn Jahre lang verhindert, dass sich die Familie einen TV-Apparat kaufte, um sich nicht den verderblichen Einflüssen des Westens auszusetzen. Inzwischen habe sie sich gewandelt, versichert ihr Ehemann heute schmunzelnd, und sei zu einem „ruhigen Menschen mit Geduld und Toleranz“ geworden.

Von 2002 bis 2007 war Zarif Irans UN-Botschafter in New York. Aus dieser Zeit stammt auch sein Ruf, der mit dem politischen Establishment der USA am besten vernetzte iranische Politiker zu sein. 2003 war er führend an den Verhandlungen über einen umfassenden Interessensausgleich zwischen dem Iran und den USA beteiligt, den die Regierung George W. Bushs jedoch kurz vor der Invasion in den Irak platzen ließ. Unter Präsident Mahmud Ahmadinejad wurde Zarif kaltgestellt und zog sich als Professor an die Islamische Azad-Universität in Teheran zurück, deren Vizepräsident er von 2010 bis 2012 war.

Seit August 2013 ist der 55-jährige Vater zweier erwachsener Kinder nun Außenminister seines Landes und gilt als einer der engsten Vertrauten des Präsidenten Hassan Rohani, an dessen Seite er im Jahr 2003 den bisher einzigen Atomvertrag des Iran mit den westlichen Staaten ausgehandelt hat. Damals verpflichtete sich die Islamische Republik, ihre Urananreicherung zu stoppen und ihre Atomanlagen einer genaueren internationalen Kontrolle zu unterwerfen – ein Abkommen, das Ahmadinejad nach seiner Wahl 2005 umgehend für nichtig erklärte.

„Nun sind Präsident Rohani und ich wieder zurück am Verhandlungstisch“, schrieb Zarif in einem Beitrag für die „Washington Post“. Und „unser Wille zur konstruktiven Zusammenarbeit hat sich nicht gewandelt“. Am Montag legte er in einer Videobotschaft von dem Balkon seiner Suite im Palais Coburg noch einmal nach. „Ich sehe Hoffnung, aber es gibt keine Garantie.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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