Srebrenica: "Versagen der Völkergemeinschaft"

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In einem Brief erklärt der deutsche Bundespräsident sein Bedauern darüber, dass man sie "allein gelassen habe". Zehntausende gedachten der Opfer in Srebrenica.

Zehntausende Menschen haben am Samstag im ostbosnischen Srebrenica der über 8.000 Opfer des Völkermordes vor 20 Jahren gedacht. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Region erwiesen den Opfern dieses größten Kriegsverbrechens nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa die letzte Ehre.

Die ausländischen Politiker und Parlamentarier trugen sich in zwei Kondolenzbücher ein, die im ehemaligen Hauptquartier der niederländischen UNO-Truppen in Srebrenica ausgelegt worden waren. Das sogenannte Dutchbat hatte das Massaker nicht verhindern können, obwohl Srebrenica von den Vereinten Nationen zur "sicheren Schutzzone" erklärt worden war.

Blumen: Zeichen der Unschuld und Hoffnung

Frauen vieler Opfer verteilten als Anstecker die "Blume Srebrenicas". Sie erinnert mit ihren weißen Blüten an die Unschuld der Ermordeten und mit dem grünen Zentrum an das Prinzip Hoffnung.

Außenminister Sebastian Kurz betonte in einer Aussendung, das Gedenken stehe vor allem im Zeichen des Mittrauerns mit den Hinterbliebenen. "Zugleich bleibt die weitere entschlossene gerichtliche Verfolgung aller Täter Voraussetzung für Gerechtigkeit sowie Aufarbeitung, und somit für Vergebung und Versöhnung", fügte Kurz an. "Die Lehren aus dem Geschehenen richten sich daher auch an die internationale Gemeinschaft, im Gegensatz zu unserem damaligen Versagen in Zukunft entschlossen zu handeln."

"Wir haben Sie alleine gelassen"

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat das Massaker von Srebrenica als "Symbol für das Versagen der Völkergemeinschaft" bezeichnet. Gauck schrieb in einem Brief, der am Samstag an den Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, übermittelt wurde: "Nur mit großer Scham kann ich daran denken, dass wir Sie allein gelassen haben."

"Die internationale Staatengemeinschaft schützte Srebrenica nicht, obwohl Srebrenica doch eine UN-Schutzzone war," so Gauck in dem Schreiben weiter. Die bosnische Stadt Srebrenica stehe für "das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs: ein Völkermord, für den das UN-Kriegsverbrechertribunal bereits eine Reihe der Verantwortlichen verurteilt hat", schrieb Gauck mit Blick auf den 20. Jahrestag des Massakers am Samstag.

"Es war ein Völkermord"

"Verbrechen müssen als Verbrechen und Völkermord als Völkermord benannt werden", betonte Gauck. Im Jahr 1995 waren kurz vor dem Ende des Bosnien-Kriegs bosnisch-serbische Milizen in die damalige UN-Schutzzone Srebrenica einmarschiert und hatten an den leichtbewaffneten niederländischen UN-Blauhelmsoldaten vorbei rund 8.000 Muslime - vorwiegend Männer und Buben - verschleppt und getötet. Das Massaker wurde vom UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien als Völkermord eingestuft. Führende Serben lehnen diese Einschätzung jedoch ab. Am Mittwoch hatte Russland im UN-Sicherheitsrat eine Resolution blockiert, die den Begriff "Völkermord" enthielt.

"Es waren schon drei lange schwarze Jahre, als Srebrenica eingekesselt war von serbischen Einheiten: eine Enklave, bedrängt vom Hunger und von Kälte, bedroht von Kugeln, Granaten und Bomben", schrieb der deutsche Bundespräsident weiter. "Aber es waren die schwärzesten Tage für Srebrenica, als die Truppen des Generals Mladic die Stadt Anfang Juli 1995 überrannten." Auch nach 20 Jahren seien die seelischen Wunden nicht verheilt. Viele Täter seien immer noch nicht zur Verantwortung gezogen worden. "Und solange sich Täter und Opfer auf der Straße begegnen, ohne dass das Verbrechen gesühnt ist, bleibt den Trauernden die Rückkehr ins Leben versperrt", schrieb Gauck.

(APA/AFP)

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