Rumänien: Furcht vor einer Moldauer-Flut

(c) AP (Ivan Sekretarev)
  • Drucken

Eine Einbürgerungs-Offensive der Führung in Bukarest für Staatsbürger der benachbarten Republik Moldau stößt bei den EU-Partnern auf starke Vorbehalte.

BUKAREST/BELGRAD. Der Gründung der neuen Ostpartnerschaft der EU diese Woche im fernen Prag blieb der scheidende Präsident der Republik Moldau, Vladimir Voronin, schmollend fern. Die EU habe den östlichen Partnern „zu wenig“ zu offerieren, begründete der Chef der regierenden Kommunisten vorab die Entsendung des Außenministers als seinen Vertreter.

Zuvor hatte der Staatschef im heimischen Fernsehen der EU die „beleidigende Behandlung“ seines Landes vorgeworfen: „Die Öffnung Europas mit rumänischen Pässen ist eine Erniedrigung der moldauischen Bevölkerung. Der Weg in die EU durch Rumänien ist schlimmer als der Eiserne Vorhang.“

Es ist die rumänische Ankündigung erleichterter Einbürgerungsprozeduren, die bei den Machthabern in Chisinau für Ingrimm – und bei den EU-Partnern für wachsende Beunruhigung – sorgt. Mit dem neuen Partnerschaftspakt will Brüssel zwar auch die Kontakte zur Republik Moldau intensivieren. Doch an einer Masseneinbürgerung hunderttausender rumänischstämmiger Moldauer hat die EU keinerlei Interesse: Schon geistert durch westliche Medien das Schreckbild einer „Moldauer-Flut“.

Streitende Nachbarn

Ausgelöst wurde der heftig wogende Nachbarschaftsclinch durch die gewalttätigen Proteste nach der moldauischen Parlamentswahl im April. Chisinau machte hernach Rumänien als Drahtzieher der Unruhen aus. Auf die Ausweisung des rumänischen Botschafters reagierte Präsident Traian Basescu mit der Ankündigung, Einbürgerungsprozeduren für rumänischstämmige Moldauer zu vereinfachen. Bukarest werde am Grenzfluss Prut „keinen neuen Eisernen Vorhang zulassen“, so Basescu.

Rund 60 Prozent der insgesamt 4,1 Millionen Einwohner des bitterarmen Landes haben rumänische Wurzeln. Bisher wurden jährlich einige tausend Einbürgerungsanträge positiv beschieden: Die Zahl der Moldauer mit rumänischen Pässen wird derzeit auf 50.000 bis zu über 100.000 geschätzt. Diese Zahl könnte sich bald merklich vergrößern.

Ferrero-Waldner mahnt zur Vorsicht

Nach Angaben Basescus lagern beim rumänischen Konsulat in Chisinau schon jetzt 650.000 Einbürgerungsanträge – teilweise für mehrere Familienangehörige. Insgesamt schätzt er die Zahl einbürgerungswilliger Moldauer auf rund eine Million – das wäre ein Viertel der Bevölkerung.

Mit der massenhaften Zuerkennung der rumänischen Staatsbürgerschaft wolle Bukarest die Republik Moldau „assimilieren“, empört sich der kommunistische Parlamentarier Vladimir Turcanu in Chisinau: „Wir sehen das als Bedrohung für die Souveränität unseres Landes.“

In seiner Heimat kann der populäre Basescu, der sich zum Jahresende der Wiederwahl stellen muss, zwar mit breiter Zustimmung für seine Passoffensive rechnen. Doch aus Furcht vor einer Einwanderungswelle aus der verarmten Republik Moldau mahnen die EU-Partner Bukarest eindringlich zur Zurückhaltung.

Vor „eventuellen Risken“ einer Masseneinbürgerung warnt Tschechiens Vizeaußenminister Alexander Vondra. Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger mahnte Bukarest zu „erhöhter Sensibilität“. Die Einbürgerung falle zwar unter die Kompetenz des jeweiligen Mitgliedstaats, doch betreffe sie auch die „allgemeinen Interessen“ der Union, sagte die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und riet Bukarest dringend zur „Vorsicht“.

Zumindest Rumäniens Außenminister Cristian Diaconescu scheint für die Sorgen der EU-Partner indes Verständnis zu haben – und versucht sie mit deutlich niedrigeren Einbürgerungsprognosen zu beruhigen. Jeder Fall werde weiter einzeln geprüft, es sei nur mit „einigen zehntausenden“ Einbürgerungen zu rechnen, versichert der rumänische Chefdiplomat.

Tatsächlich dürfte es Rumäniens berüchtigte Bürokratie sein, die den Einbürgerungsandrang merklich bremsen könnte. Denn egal, welche Gesetze geändert werden: Rumäniens Amtsmühlen mahlen langsam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.