Wem das Iran-Abkommen nützt

IRAN NUCLEAR TALKS SANCTION CELEBRATION
IRAN NUCLEAR TALKS SANCTION CELEBRATION(c) APA/EPA/ABEDIN TAHERKENAREH (ABEDIN TAHERKENAREH)
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In Teheran wird gejubelt, die USA feiern sich als internationale Vermittler, Russland, China und EU hoffen auf gute Geschäfte. In Riad und Tel Aviv ist man über den Iran-Deal aber gar nicht begeistert.

Mehr als zehn Jahre lang wurde verhandelt, in der Nacht auf Dienstag kam der historische Durchbruch: Die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran verständigten sich im Wiener Palais Coburg auf einen Atomdeal, der auch ein Ende der UN-Sanktionen gegen den Iran vorsieht. Der Vertrag mache die „Welt sicherer“, beteuert US-Präsident Barack Obama, auf Teherans Straßen wird gefeiert, doch nicht alle freuen sich über den Deal. Hier eine Übersicht der Gewinner und Verlierer des Abkommens.

Iran

Hauptgewinner ist der Iran. Seine Stellung als atomare Schwellenmacht ist nun anerkannt. Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif haben innenpolitisch gegenüber den Hardlinern an Boden gewonnen, der Deal steigert ihre Popularität: Die Iraner jubeln, weil sie nicht nur die Sanktionen, sondern auch ihren internationalen Pariastatus los sind.
Doch es ist nicht nur ein politischer Sieg: Einige Experten erwarten durch das Ende der Sanktionen Wachstumsraten von bis zu acht Prozent im 80-Millionen-Land. Vor allem dank neu boomender Öl- und Gasgeschäfte (das Land ist trotz Sanktionen immer noch fünftgrößter Opec-Ölproduzent) könnte der Iran schnell zur wirtschaftlichen Regionalmacht aufsteigen. Gefestigt wäre damit auch seine politische Führungsrolle – was Irans Feinde in Riad und Tel Aviv alarmiert.

USA

Obama und Außenminister Kerry sehen das „Wiener Abkommen“ als Krönung ihrer Außenpolitik. Tatsächlich könnte der Weg für eine Normalisierung der Beziehungen mit dem bisherigen Erzfeind geebnet sein. Rohani sprach bereits von einer „neuen Ära der Kooperation“. Denkbar ist eine stärkere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Islamischen Staat (im Irak kooperieren USA und Iran bereits). Möglich wäre auch ein iranischer Beitrag zur Beilegung der Syrien-Krise, Teheran unterstützt das Assad-Regime. Im US-Präsidentschaftswahlkampf wiederum ist zu erwarten, dass die Republikaner in den zwei Monaten, die der Kongress zur Abwägung und Zustimmung oder Ablehnung des Paktes Zeit hat, dagegen opponieren werden. Für eine Vetomehrheit müssten sie aber 13 Demokraten im Senat und 40 im Abgeordnetenhaus erringen. Obama will ein Nein zum Deal mit seinem präsidentiellen Veto zu kippen.

Österreich

Das „Wiener Abkommen“ ist auch für Außenminister Sebastian Kurz ein Erfolg. Er hat die Verhandlungen – im Wettstreit mit Genf – ins Palais Coburg geholt und Österreich damit wieder als Ort der diplomatischen Begegnung etabliert. Er hat außerdem sein Netzwerk mit den wichtigsten außenpolitischen Akteuren enger geknüpft. Auch wirtschaftlich lohnt sich das Engagement. Allein der Werbewert für Wien wird auf 100 Millionen Euro geschätzt. Und für September hat Bundespräsident Heinz Fischer eine Reise nach Teheran ins Auge gefasst, bestätigte seine Sprecherin der „Presse“. Er wird als Türöffner für österreichische Unternehmen fungieren.

Europäische Union

Auch wenn die EU nur am Rande als Vermittler eine Rolle gespielt hat, ist der Deal ein symbolischer Erfolg. Jahrelang hat sich Europa gegen eine militärische Lösung starkgemacht. Vor allem aber bietet das Ende der Sanktionen ein enormes Marktpotenzial: Der Investitionsbereich ist nach Jahren der Sanktionen enorm – nicht nur im Energiebereich. Autobauer wie Renault, Peugeot, Daimler, VW und Co. strecken bereits ihre Fühler aus.

Russland und China

Der Kreml kann sich freuen – aus ganz persönlichen Gründen. Nicht nur ist das wegen der Ukraine international geächtete Russland wieder anerkannter diplomatischer Big Player – dank der Iran-Vermittlerrolle Sergej Lawrows. Moskau rechnet damit, nun das bedrohliche US-Raketenabwehrsystem in Europa los zu sein: Obama hat 2009 gesagt, dass sich der Plan bei einer Iran-Einigung erledigen werde. Zudem hofft man auf ertragreiche Geschäfte: Russland hat bereits Irans erstes AKW in Bushehr gebaut. Das alles dürfte Moskau über fallende Ölpreise und einen neuen, mächtigen Konkurrenten auf dem Energiemarkt hinwegtrösten. Auch für China ist der Iran-Deal vor allem eine potenzielle Goldmine. Peking, das sich in den Gesprächen zurückgehalten hat, hofft auf gute (Waffen-)Geschäfte und billiges Öl.

Israel

Israel sieht im Deal mit dem Erzfeind eine Existenzbedrohung; Premier Netanjahu sprach von einem Fehler „historischer Dimension. Er bezeichnete es als die wichtigste Aufgabe seiner Amtszeit, ein Abkommen zu verhindern (und damit eine iranische Atombombe, wie er meint). Nicht nur die atomare Bedrohung schreckt Israel: Terrorförderer Teheran werde noch mehr Geld haben, um die libanesische Miliz Hisbollah zu unterstützen.

Saudiarabien

Keine Freunde haben die Saudis mit dem Deal. Der Iran und Saudiarabien führen erbitterte Stellvertreterkriege im Jemen, Irak oder in Syrien. Riad wird den UN-Inspektionen im Iran nicht trauen: Möglich ist, dass die Saudis nun selbst ein Atomprogramm vorantreiben. Die Folge wäre ein gefährliches Wettrüsten in Nahost.

(basta, cu, go, hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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