Norwegen: Terror-Ausstellung als „Altar für Rechtsextreme“?

(c) REUTERS (NTB SCANPIX)
  • Drucken

Vier Jahre nach den Anschlägen in Oslo und Utøya streitet Norwegen über eine Ausstellung. Massenmörder Anders Behring Breivik schafft es immer wieder in die Schlagzeilen. Erstmals wieder Sommerlager auf Utøya.

Oslo. Wechselweise mit Grauen und einem Gefühl der Unwirklichkeit blickt Jorid Nordmelan auf den schlimmsten Tag ihres Lebens zurück. Vor vier Jahren, am 22. Juli 2011, versteckte sich die damals 20-Jährige auf der Insel Utøya unter einem Bett. Draußen versuchte ein Mann in Polizeiuniform, der 32-jährige Anders Behring Breivik, die versperrte Schlafsaaltür aufzuschießen. „Ich war mir sicher, dass ich gleich sterben würde wie die anderen“, erinnert sich die Studentin.

Breivik hatte in Oslos Regierungsviertel eine Bombe hochgehen lassen. Danach fuhr er nach Utøya zum sozialdemokratischen Jugendcamp und erschoss systematisch 69 Menschen.

Vier Jahre später löst in Oslo eine Ausstellung über die Anschläge Streit aus. Auf zwei Etagen sollen mindestens fünf Jahre lang Gegenstände ausgestellt werden, die Breivik für den Massenmord genutzt hat: etwa die Reste des Autos, in dem die Bombe war, eine Polizeimarke, ein falscher Pass. Dazu Bilder, Interviews mit Überlebenden und anderen Zeugen.

Massenmörder als Politologe

Kritiker halten das für makaber. „Ein Breivik-Museum im Regierungsviertel? Nein, danke. Schickt die Gegenstände ans Kriminalmuseum in Trondheim“, fordert etwa John Elden, ein Anwalt von Überlebenden und Angehörigen. Der Grün-Politiker Anders Danielsen warnt davor, dass das Ganze zum „Altar für Rechtsextreme“ werde. Breivik hat die Morde an zumeist jungen Sozialdemokraten damit begründet, dass deren Partei zu viele Moslems ins Land gelassen habe.

Die Ausstellungsmacher betonen, man habe die Exponate mit Sorgfalt ausgewählt. Vor allem die Perspektive von Überlebenden und Zeugen stehe im Fokus, so Ausstellungsleiter Tor Fagerland.

Viele Norweger wünschen sich, dass Breivik, der Aufmerksamkeit mag, in seiner Zelle vergessen wird. Aber das ist nicht so einfach. Das Land hat einen sehr humanen Strafvollzug. Erst vorige Woche kam Breivik wieder in die Schlagzeilen: Er wurde zum Politologiestudium an der Uni Oslo zugelassen. Abschließen wird er es vom Gefängnis aus aber nicht können, da teilweise Anwesenheitspflicht gilt und der heute 36-Jährige kein Internet hat.

Auch die Ankündigung Breiviks, den Staat wegen Verstoßes gegen seine Menschenrechte zu klagen, irritiert. Breivik, der zur norwegischen Maximalstrafe von 21 Jahren Haft verurteilt wurde, will nicht mehr in Einzelhaft sitzen. Auch fordert er unbegrenztes Besuchs- und Kommunikationsrecht. Seine Briefe werden zensiert. Breivik hatte laut der Zeitung „VG“ etwa vor, hunderte Briefe an Fans zu schicken. Breivik stelle sich vor, so zum Chef eines Terrornetzwerks zu werden, schrieb „VG“. Auch wolle er eine Partei gründen. Breivik war einst Mitglied der heute an der Regierung beteiligten Rechtspopulisten.

Dass Breivik nun an der gleichen Fakultät wie Jorid Nordmelan eingetragen ist, stört sie nicht: „Er muss die gleichen Rechte haben wie jeder andere. Für seine Verbrechen wurde er verurteilt.“ Auch die Ausstellung hält sie für gut.

Im August findet erstmals wieder das linke Sommercamp auf Utøya statt. Jorid Nordmelan wird nicht daran teilnehmen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wieder dort zu schlafen. Nicht heuer, zumindest.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die norwegische Premierministerin Erna Solberg legt einen Kranz bei den Gedenkfeiern für die Opfer des Anders Behring Breivik nieder.
Außenpolitik

Umstrittene Ausstellung zu Breivik-Attentaten in Oslo eröffnet

Vor vier Jahren tötete Anders Behring Breivik 77 Menschen. Ein neues Informationszentrum wird als "Breivik-Museum" kritisiert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.