Ukraine: Rechter Sektor erhöht Druck

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Die Ultranationalisten forderten in Kiew die „totale Blockade“ des Donbass. Präsident Poroschenko unterzeichnete indes ein Dokument, das den Abzug schwerer Waffen einleiten soll.

Danzig/Kiew. „Weg mit der Verräter-Macht!“, skandierten in Kiew bis zu 3000 Mitglieder des Rechten Sektors (RS). Die ultranationalistischen Demonstranten marschierten am Dienstag unbewaffnet auf dem Maidan auf und schrieen sich die Wut auf die Regierung aus dem Leib. Staatspräsident Petro Poroschenko warnten sie, sich nicht um das Wohl der Oligarchen, sondern um jenes des Volkes zu sorgen. RS-Anführer Dmitrij Jarosch kündigte eine Volksentscheidung über die Abberufung Poroschenkos und der Regierung Arsenij Jasenjuk an. Dazu sollen in jeder Oblast Referendumskomitees geschaffen werden – so zumindest der Plan.

Weitere extremistische Forderungen gehen in die gleiche Richtung. Der als Antiterror-Organisation (ATO) bezeichnete Krieg im Donbass solle endlich offen zum Krieg erklärt werden, forderte Jarosch, der auch eine „totale Blockade der Separatistengebiete“ forderte. Schon jetzt kommen Lebensmittel und Medikamente nur äußerst spärlich durch die ukrainischen Kontrollpunkte in den Donbass. Würden Jaroschs Forderungen erfüllt, liefe all dies auf eine Zuspitzung des Konflikts hinaus. Politische Beobachter in Kiew weisen darauf hin, dass dies vor allem im Interesse des Kremls liegt – zumal die militärische Übermacht Russlands, das den Separatisten unter die Arme greift, außer Frage steht. Einen offenen Krieg um den Donbass könnte Kiew nicht gewinnen. Auch der Druck auf Poroschenko von innen spielt Moskau in die Hände.

Der ukrainische Staatschef hat indes der Schaffung einer 30 Kilometer breiten entmilitarisierten Zone im Kriegsgebiet Donbass zugestimmt. Aus dieser Pufferzone sollten alle Panzer sowie Artillerie abgezogen werden, sagte er am Mittwoch. Der Schritt solle den „dauerhaften Beschuss“ beenden. Poroschenko ordnete an, dass die ukrainische Seite ein entsprechendes Abkommen der Minsker Kontaktgruppe unterzeichnet.

Moskaus Handschrift?

Der Rechte Sektor, der Partei und paramilitärische Miliz in einem ist, hatte zuletzt nach einer Schießerei in der südwestukrainischen Stadt Mukatschewo Aufsehen erregt. Mindestens drei Todesopfer waren bei einem Schusswechsel zwischen RS-Aktivisten und Polizeieinheiten ums Leben gekommen. Hintergrund der Schießerei waren vermutlich Verteilkämpfe im lukrativen Zigarettenschmuggel in die EU-Länder. Es liege auf der Hand, dass Russland hinter den Unruhen in Mukatschewo steht, kommentierte Poroschenko und ersetzte den Gouverneur, seinen mächtigen Lokalvertreter.

Solches wird vom Rechten Sektor natürlich vehement dementiert. Man sei prinzipiell gegen Schmuggel und unternehme alles, um den ukrainischen Staat zu stützen, heißt es dort. An der Grenze zu Polen und Weißrussland eröffnete der Rechte Sektor deshalb in dieser Woche eigenmächtig Anti-Schmuggel-Kontrollen. Dabei hebelt die Vereinigung auch hier das Gewaltmonopol des ukrainischen Staates aus.

Genauso, wie ihre Freiwilligenbataillone sich bisher standhaft weigern, sich unter das Oberkommando der Armee zu stellen. Im April erhielt Jarosch zwar einen Beraterposten im Verteidigungsministerium, doch die Eingliederung seiner Verbände in die reguläre ukrainische Armee fand bisher nur auf dem Papier statt.
Unklar ist indes, wie viele Bewaffnete Jarosch unter seinem Kommando hat. Schätzungen gehen von mittlerweile bis zu 10.000 Mann aus. Das mag freilich völlig übertrieben sein. Die Demonstration in Kiew fiel insgesamt kläglicher aus als angekündigt.

Auf einen Blick

Der Rechte Sektor (Prawij Sektor) entstand als lose Vereinigung ultranationalistischer und rechtsextremer Gruppen im Zuge der Protestbewegung auf dem Maidan. Er ist heute eine Partei und eine paramilitärische Miliz, die bisher die Integration in die Armee verweigert. Anführer des Rechten Sektors ist Dmitrij Jarosch (43).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2015)

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