Gericht verurteilt Gaddafis Sohn zum Tod

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Saif al-Islam al-Gaddafi schmiss einst wilde Partys in seiner Wiener Villa. Jetzt wurde er der Kriegsverbrechen schuldig befunden. Der Hinrichtung dürfte er aber vorerst entgehen. Denn er befindet sich nicht in der Gewalt der Justiz in Tripolis.

Die Urteile fielen hart aus. Neun Mal verhängten am Dienstag die Richter in der libyschen Hauptstadt Tripolis die Todesstrafe – wegen Kriegsverbrechen und der Niederschlagung der Proteste Anfang 2011. Die Verurteilten sind Spitzenfunktionäre des einstigen Regimes von Diktator Muammar al-Gaddafi. Unter ihnen befinden sich der ehemalige Premier Bagdadi al-Mahmudi und Ex-Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi. Die Angeklagten, die blaue Häftlingskleidung trugen, verfolgten die Urteilsverkündung in einem Käfig, der im Gerichtssaal aufgestellt worden war. Der prominenteste der zum Tod Verurteilten war nicht unter ihnen: Saif al-Islam al-Gaddafi, Sohn des 2011 getöteten Machthabers, ist zwar in Haft. Doch er sitzt in einem Gefängnis in der libyschen Kleinstadt Zintan, viele Kilometer vom Gerichtssaal in Tripolis entfernt.

Eine Auslieferung und damit auch eine Hinrichtung in Tripolis hat Gaddafis Sohn wohl auch weiterhin nicht zu befürchten. Denn die Herren der Stadt Zintan sind nicht sehr gut auf die derzeitigen Machthaber in der Hauptstadt zu sprechen. Tripolis wird von den Milizen der Allianz Libyens Morgenröte kontrolliert. Und es waren Kämpfer dieser Allianz, die 2014 die Zintan-Milizen vom Flughafen in Tripolis vertrieben.

Zintan will Saif nicht ausliefern

Schon zuvor hatte man sich in Zintan geweigert, Saif an die Behörden in Tripolis auszuliefern. Gaddafis Sohn war im November 2011 Bewaffneten aus Zintan in die Hände gefallen. Und die Milizionäre der Kleinstadt an den Ausläufern der Nafusa-Berge dachten nicht im Traum daran, ihre wertvolle „Beute“ so einfach zu übergeben. Den Prozess in Tripolis verfolgte Saif per Videoschaltung von Zintan aus. Dass eine Kleinstadt sich einfach weigern kann, einen so hochrangigen Gefangenen an das Gericht der Hauptstadt auszuliefern, spricht Bände über die chaotischen Machtverhältnisse im Libyen nach dem Umbruch 2011.

Eine revolutionäre Welle war damals über viele Länder der arabischen Welt geschwappt. Es begann in Tunesien, wo Langzeit-Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali im Jänner 2011 nach Protesten das Weite suchte. Und es setzte sich fort in Ägypten, wo das Militär im Februar 2011 nach tagelangen Massendemonstrationen auf dem Kairoer Tahrir-Platz Präsident Hosni Mubarak absetzte. Im Februar begann auch die Revolte in Libyen. Das Regime versuchte, die Proteste mit Gewalt niederzuschlagen. Aus den anfänglichen Demonstrationen wurde ein bewaffneter Aufstand, den die Nato ab März 2011 mit Luftangriffen unterstützte.

Gast auf dem Wiener Opernball

Damals lernte die Welt auch die andere Seite des Saif al-Islam al-Gaddafi kennen. Der Sohn des Diktators ließ sich dabei filmen, wie er mit dem Sturmgewehr in der Hand eine flammende Rede zur Niederschlagung der Revolution hielt. Zuvor hatte man Saif al-Islam vor allem als Jetsetter gekannt, als Liebling der Wiener High Society und als engen Freund des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider. Der 2008 verstorbene Parteichef der FPÖ und später des BZÖ reiste mit Saif auch mehrmals zu Gaddafi senior nach Tripolis.

Saif studierte in Großbritannien und Österreich. Er feierte mit seinen Brüdern rauschende Feste, für die sie Top-Stars wie Mariah Carey und Beyoncé engagierten. Saif war gern gesehener Gast auf dem Wiener Opernball. Er schmiss wilde Partys in seiner Wiener Villa und veranstaltete Vernissagen mit seinen Gemälden. Gaddafis zweitältester Sohn war im Ausland das freundliche Gesicht des Regimes.

„Saif hat in Österreich Positivpropaganda für das libysche Regime gemacht, der kaum zu entkommen war“, klagte deshalb etwa Ahmed Gefairi, ein junger Libyer, der sich in Österreich für die Opposition engagierte. „Er kannte viele Politiker und Geschäftsleute. Man konnte dagegen nur schwer auftreten.“ Auch in Wien fühlten sich die Libyer von Gaddafis Geheimdienst bespitzelt. Dass zudem der Sohn des Diktators hier gut vernetzt war, verstärkte die Furcht davor, etwas gegen das Regime zu sagen.

Saif hatte im Westen große Hoffnungen auf Reformen geweckt. Er versprach wiederholt in Interviews, sich für die Freilassung politischer Gefangener und mehr Medienfreiheit einzusetzen. Saif galt als aussichtsreicher Nachfolger seines Vaters. Doch er kam nicht mehr dazu, zu bewiesen, ob er seine Versprechen als libyscher Staatschef auch erfüllt hätte. Gaddafi senior wurde 2011 von Rebellen umgebracht. Saif sitzt in seinem Gefängnis in Zintan und wartet darauf, wie sein weiteres Schicksal verlaufen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

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