Ungarn verschärft das Asylrecht. Amnesty wirft der Regierung vor, sich über völkerrechtliche Verpflichtungen hinwegzusetzen.
Budapest/London/Berlin. Nun ist es nicht die Finanz- und Wirtschafts-, sondern die Flüchtlingspolitik, die die europäische Politik in Atem hält. Ungarn verschärft sein Asylrecht, Großbritannien intensiviert die Überwachung vor dem Eurotunnel, und in Deutschland wird über einen in Europa einmaligen Bearbeitungsstau bei Asylanträgen geklagt.
In Ungarn sind am Samstag die stark kritisierten verschärften Bestimmungen des Asylrechts in Kraft getreten. Unter anderem werden die Asylverfahren auf 15 Tage verkürzt. Flüchtlinge, die über Serbien nach Ungarn gekommen sind, können im Eilverfahren in das südliche Nachbarland abgeschoben werden, nachdem die ungarische Regierung Serbien zum „sicheren Drittland“ erklärt hat. 99 Prozent der illegal einreisenden Migranten kommen über die serbisch-ungarische Grenze.
Bisher sind nach ungarischen Regierungsangaben heuer knapp 100.000 Migranten in Ungarn registriert worden. Praktisch alle betrachten Ungarn als Transitland auf dem Weg in wohlhabendere EU-Länder. Die Verschärfung des Asylrechts wird von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Amnesty International warf der rechtskonservativen ungarischen Regierung vor, sich über völkerrechtliche Verpflichtungen hinwegzusetzen, und verlangte eine Prüfung der neuen Bestimmungen durch das ungarische Verfassungsgericht.
Weniger Eurotunnel-Fluchtversuche. Nachdem Großbritannien ein schärferes Vorgehen – „mehr Zäune“ und „mehr Spürhundestaffeln“ – vor dem Eurotunnel ankündigt hatte, versuchten in der Nacht zum Samstag wesentlich weniger Flüchtlinge, die Absperrungen vor dem Eurotunnel in Frankreich zu überwinden. In Calais sind etwa 300 Versuche registriert worden. Die Behörden zählten früher schon 2000 Versuche pro Nacht.
Auch die deutsche Regierung gerät durch die steigenden Flüchtlingszahlen weiter unter Druck: Laut einem von tagesschau.de zitierten Gutachten schiebe Deutschland derzeit knapp 240.000 unbearbeitete Asylanträge vor sich her. Es handle sich um einen Bearbeitungsstau, der in Europa einmalig sei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)