USA: Biden erwägt Einstieg in das Rennen ums Weiße Haus

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Der 72-Jährige könnte zur ernsthaften Konkurrenz für Hillary Clinton bei den Demokraten werden. Für die Manager von Wahlkampagnen ist der unberechenbare Biden ein wandelnder Albtraum.

Washington/Wien. Joe Biden ist dafür bekannt, kaum ein Fettnäpfchen auszulassen. In regelmäßigen Abständen sorgt der US-Vizepräsident durch verbale Missgriffe für Schlagzeilen. Der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudiarabien warf er im Herbst vor laufenden Kameras vor, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu finanzieren. Er plauderte aus, dass das Weiße Haus die Entsendung von Bodentruppen zur Bekämpfung des IS erwäge – was hektisch dementiert wurde. Asien ist für ihn „der Orient“, Kreditgeber nannte er jüdische Wucherer. Und während der Antrittsrede von Verteidigungsminister Ashton Carter legte er dessen Frau vertraulich die Hände auf die Schultern und flüsterte ihr in intimer Distanz ins Ohr.

Für die Manager von Wahlkampagnen ist der unberechenbare Biden ein wandelnder Albtraum. Genau eine solche Kampagne aber erwägt der 72-Jährige offenbar für den Präsidentschaftswahlkampf 2016. Wie die „New York Times“ am Wochenende berichtete, loten Bidens Berater bei führenden demokratischen Politikern und wichtigen Spendern die mögliche Unterstützung aus – vor allem bei jenen, die sich noch nicht ausdrücklich für Ex-Außenministerin Hillary Clinton ausgesprochen haben. Eine Entscheidung soll Anfang September fallen.

Eine Kandidatur Bidens könnte Clinton unter Zugzwang setzen, die bisher als klare Favoritin aufseiten der Demokraten gilt. In der Partei verfügt die 67-Jährige zwar über große Unterstützung, hat aber mit zunehmender Kritik zu kämpfen, vor allem wegen ihres Umgangs mit Dienst-E-Mails während ihrer Zeit im State Department. Die frühere First Lady versucht zwar gegenzusteuern. Am Freitag machte sie ihr Einkommen (zusammen mit ihrem Mann Bill Clinton mehr als 100 Millionen Dollar in den vergangenen Jahren) und Angaben zu ihrem Gesundheitszustand („exzellente körperliche Verfassung“) öffentlich. Aber auch jüngste Umfragen, in denen fast 60 Prozent der Wähler sie als unehrlich und nicht vertrauenswürdig bezeichneten, haben ihre Kritiker beflügelt. Biden führt dagegen das Beliebtheitsranking der demokratischen Politiker an, ungeachtet aller politischen Fauxpas.

Kandidatur Nummer drei

Bidens Vertraute ließen durchsickern, dass der Vizepräsident die Kandidatur auch seinem verstorbenen Sohn zuliebe überlege. Beau Biden, 46, war im Mai an einem Hirntumor gestorben. Er hatte seinen Vater gedrängt, noch einmal in den Ring zu steigen. Es wäre das dritte Mal. 1988 musste Biden nach Plagiatsvorwürfen aus dem Rennen gehen, 2008 bekam er bei den Vorwahlen in Iowa nur knapp ein Prozent der Stimmen und gab auf.

Neben Clinton gibt es bisher vier Demokraten, die Ambitionen auf das Weiße Haus angemeldet haben. Im Vergleich zur Konkurrenzpartei hätte es Biden mit einem aufgeräumten Feld zu tun: Bei den Republikanern ringen bereits 17 Bewerber um die Präsidentschaftsnominierung, ausschließlich Männer. Und gegen die verbalen Entgleisungen von Immobilienmagnat Donald Trump (s. Leitartikel), der die Umfragen anführt, erscheinen Bidens Missgriffe geradezu harmlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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