Wie Präsidentin Kirchner sich vor Korruptionsverfahren schützt

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Die Staatschefin baut vor ihrem Abgang aus dem Amt noch schnell einen juristischen Schutzschild mit wohlgesinnten Richtern auf.

Buenos Aires. Comandante Luis Piedrabuena ist ein Ort fern der Zeit. Eine Kleinstadt, umgeben von der rauen patagonischen Steppe und umweht von heftigen Winden. Ein paar Schulen, ein Spital mit 23 Betten und eine Richterstelle, die vor zwei Jahren geschaffen, aber nie besetzt wurde, mangels Kandidaten. Nur die wenigsten Argentinier hatten bislang Kenntnis von dieser Gemeinde ohne zivilen Flughafen – und das ist offenbar ein erheblicher Standortvorteil.

Hier, so beschloss es Argentiniens Parlament, soll künftig eines der neu geschaffenen Bundesberufungsgerichte wirken, zuständig für Argentiniens Südprovinzen Antarktis, Feuerland und Santa Cruz, dem Stammland der Familie Kirchner. Die Richter werden hier fern aller Redaktionen und TV-Stationen auch über Korruptionsverfahren entscheiden, die den Machtclan Kirchner betreffen, der seit über 20 Jahren alle Fäden an Amerikas Südzipfel zieht. Noch überwuchern trockene braune Gräser das Gelände des künftigen Justizzentrums, der Bau wird sich hinziehen. Aber die Richterstellen werden sicher bald besetzt, noch vor dem 10.Dezember.

Ehe Cristina Fernández de Kirchner, der die Verfassung keinen dritten Turnus erlaubt, ihre Amtsschärpe weitergibt, wird die Justiz ihres Landes ergänzt, umgestaltet, neu gepolt. Seit Jahren beklagt die Präsidentin ein Kartell der Richter aus grauen Vorzeiten, das die Arbeit ihrer demokratisch gewählten Regierung behindere, dabei haben sie sowie ihr Vorgänger und Gatte Néstor schon fast 60Prozent der nationalen Richterstellen neu besetzt. Vor zwei Jahren versuchte sie zudem alle Richterstellen der Kontrolle des – von ihrer Siegesfront kontrollierten – Parlaments zu unterstellen.

Damit scheiterte sie vor dem obersten Gerichtshof. Im Vorjahr setzte sie eine Strafrechtsreform durch, die den politisch weisungsgebundenen Staatsanwälten mehr Macht einräumt, zulasten der Richter. Mehr als 200 unbesetzte Richterstellen werden von Aushilfen überbrückt, die problemlos geschasst werden können, falls sie nicht nach Gusto entscheiden. Vorbild für diese Art der Justizkontrolle war das chavistische Venezuela. Und Kirchners Mehrheit erfand die Bundesberufungsgerichte wie jenes in Comandante Luis Piedrabuena, die mit den „richtigen Richtern“ ohnehin langwierige Prozesse aufhalten oder gar kassieren können.

„Selbstmord ist nicht mein Stil“

Juristen wie jene, die vorige Woche dem Bundesrichter Claudio Bonadio den derzeit brisantesten Fall der Nation abnahmen – wegen angeblicher Verfahrensfehler: Bonadio, ein Veteran im verminten Terrain zwischen Politik und staatsnaher Wirtschaft, ermittelte im Fall „Hotesur“. So heißt die Gesellschaft, die drei Hotels der Familie Kirchner managed. In diesen Luxusunterkünften im patagonischen Ort El Calafate hatte Kirchner-Intimus und Bauunternehmer Lázaro Báez offenbar jahrelang für seine Angestellten hunderte Zimmer reserviert und bezahlt, jedoch nicht genutzt. Allein 2009 und 2010 soll so mehr als eine Million Dollar geflossen sein. Der Bundesrichter vermutete, dass Báez, dessen Baufirma 90Prozent aller öffentlichen Bauaufträge in Argentiniens zweitgrößter Provinz ausführt, auf diese Weise einen Teil jener Gelder zurückgegeben hat, die aus Buenos Aires für den Infrastrukturausbau überwiesen wurden. Seit Jahren kritisiert die Opposition, dass der Straßenbau in der Südprovinz fünfmal mehr als in Europa koste.

Nun übernimmt die Causa „Hotesur“ Daniel Rafecas, derselbe Bundesrichter, der im Februar die Anzeige des Sonderstaatsanwalts Alberto Nisman kassiert hat. Dessen Todesfall vor mehr als einem halben Jahr bleibt ein Rätsel, bis heute sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Auf diesen Fall bezog sich Bonadio, als er einem Radioreporter sagte: „Sollte ich demnächst ,geselbstmordet‘ gefunden werden, dann bitte ermittelt in Richtung Mord. Suizid ist nicht mein Stil.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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