Fehlstart für die neue amerikanisch-türkische Strategie in Syrien

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Neue Rebelleneinheit, die von Washington und Ankara unterstützt wird, gerät in Bedrängnis. Türkei streitet mit USA über Hilfe für Syriens Kurden aus der Luft.

Istanbul. Eine schlagkräftige Truppe sollten sie werden – sorgfältig ausgewählte syrische Kämpfer, die von den USA und der Türkei ausgebildet und als „gemäßigte Rebellen“ unter dem Namen Division 30 zum Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) nach Syrien geschickt worden sind. Doch schon der erste Einsatz ging gründlich daneben. Ein Teil der mehr als 50 Kämpfer wurde zusammen mit ihrem Kommandanten von der zum Terrornetzwerk al-Qaida gehörenden Nusra-Front gefangen genommen. Andere brachten sich ausgerechnet bei der syrischen Kurdenpartei PYD in Sicherheit, die von der Türkei als Ableger der Untergrundbewegung PKK misstrauisch beobachtet wird.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, US-Kampfdrohnen hätten nach der Gefangennahme die Stellungen der Nusra-Front in Nordsyrien angegriffen. Doch die Extremistentruppe zeigte sich unbeeindruckt und kostete den Erfolg gegen den Westen genüsslich aus. Sie ließ gefangene Mitglieder der neuen proamerikanischen Rebellentruppe vor der Kamera vorbeimarschieren.

US-Hilfe gegen Regimetruppen

Washington will sich von diesem Rückschlag aber offenbar nicht entmutigen lassen. US-Präsident Barack Obama hat laut US-Medien die amerikanischen Streitkräfte angewiesen, die Rebellen der Division 30 auch dann mit Luftangriffen zu unterstützen, wenn die Aufständischen von syrischen Regimetruppen angegriffen werden. Damit könnte es erstmals zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und dem syrischen Militär kommen. Russland hat die USA wegen dieser Pläne nun scharf kritisiert. Eine solche Vorgangsweise könnte zu einer weiteren Destabilisierung Syriens führen, sagte ein Sprecher des Präsidialamts in Moskau. Russland gehört zu den engsten Verbündeten des syrischen Machthabers Bashar al-Assad.

Jedenfalls ist der missglückte erste Einsatz der Rebellen der Division 30 peinlich für die USA und die Türkei. Denn sie erhofften sich eine Veränderung der militärischen Balance unter den syrischen Aufständischen, bei denen islamische Extremisten bisher eine führende Rolle spielen. Die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee (FSA) ist dagegen wegen interner Streitigkeiten so weit ins Hintertreffen geraten, dass ein türkischer Regierungsvertreter jetzt auf die Frage von Journalisten, ob die FSA überhaupt noch existiere, mit einem Schulterzucken antwortete: „Ich weiß es nicht.“

Auch in anderen Bereichen der türkisch-amerikanischen Zusammenarbeit in Syrien knirscht es laut. So streiten Ankara und Washington darüber, ob US-Flugzeuge von türkischen Stützpunkten aus mit Luftangriffen den syrischen Kurden gegen die Terrormiliz IS helfen dürfen.

Keine Flüge für YPG von Türkei aus

Die Türkei will das auf keinen Fall: Angriffe zur Unterstützung der syrischen Kurden gehörten nicht zur Absprache über die Öffnung der türkischen Stützpunkte für die Amerikaner, heißt es in türkischen Regierungskreisen. Dagegen erklärte das US-Außenministerium, die syrischen Kurden würden auch nach Beginn der Einsätze der amerikanischen Jets von türkischen Stützpunkten aus weiterhin unterstützt.

Die sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG) der von der PYD geführten syrischen Kurdengebiete hatten in den vergangenen Monaten einige wichtige militärische Erfolge gegen den IS erzielt. Für die USA sind die syrischen Kurden deshalb ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Extremisten – während die Türkei befürchtet, die PYD wolle die Gunst der Stunde nutzen und in Nordsyrien einen Kurdenstaat gründen.

Um die PYD aufzuhalten, plant die Türkei die Einrichtung einer Sicherheitszone im Norden Syriens. Laut Medienberichten ist dafür ein etwa 80 Kilometer langer und 30 Kilometer breiter Gebietsstreifen südöstlich der türkischen Grenzprovinz Kilis im Gespräch. Alle IS-Verbände sollen nach den Worten des türkischen Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu aus dem Streifen vertrieben werden; anschließend sollen westliche Kampfflugzeuge das Gebiet aus der Luft überwachen, während FSA-Einheiten am Boden kontrollieren. Eine türkische Truppenentsendung ist nicht vorgesehen.

Offiziell will die Türkei mit der Zone ein sicheres Gebiet für syrische Flüchtlinge schaffen. Inoffiziell lautet das Ziel, eine Vereinigung kurdischer Siedlungsgebiete in Nordsyrien zu einem homogenen Gebilde zu verhindern.

Ankara rudert bei Schutzzone zurück

Doch derzeit erscheint der Plan mehr als Wunschdenken der Türken denn als konkretes Projekt. Der syrische Verbündete Russland kritisierte die Pläne für die türkisch-amerikanische Luftüberwachung in Nordsyrien, während die USA betonen, es gebe keine Vorbereitungen für eine Schutzzone. Ankara rudert deshalb zurück. In türkischen Regierungskreisen heißt es inzwischen, von einer richtigen Schutzzone könne man eigentlich nicht reden, höchstens von einer De-facto-Schutzzone. Was das sein soll, weiß aber offenbar niemand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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