Israels Geheimdienst: Radikale Siedler wollen Regierung stürzen

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Der Anschlag im Westjordanland war offenbar kein Einzelfall. Dahinter stehen Fanatiker, die immer radikaler werden. Anhand einer DNA-Probe konnte bereits gegen zwei mutmaßliche Täter Anklage erhoben werden.

Jerusalem. Chaos und der Sturz der Regierung sind das, worauf die Hintermänner der jüngsten Brandanschläge offenbar abzielen. Nach Informationen des israelischen Geheimdiensts werden jüdische Extremisten immer radikaler. Die Untersuchungen des Anschlags radikaler Siedler auf eine palästinensische Familie, bei dem Ende letzter Woche der eineinhalbjährige Ali Dawabsche gestorben ist, deuten auf eine Verbindung zu dem Brandanschlag auf das Kloster der Brotvermehrungskirche am See Genezareth Mitte Juni hin.

Anhand einer DNA-Probe konnte bereits gegen zwei mutmaßliche Täter Anklage erhoben werden. Einer davon ist der 24 Jahre alte Mosche Orbach aus der orthodoxen Kleinstadt Bnei Brak. Er ist Autor einer Schrift mit dem Titel „Königreich des Bösen“, in der er ideologische Grundlagen für Angriffe auf christliche und muslimische Pilgerstätten und Araber festhält. „Manchmal stinkt es uns, nur Sachschaden anzurichten“, schrieb er.

Drohschriften an den Wänden

Ähnliche Vorstellungen über ein härteres Vorgehen gegen Araber und auch den israelischen Staat hielt der rechtsextreme Aktivist Meir Ettinger im Internet fest. Ettinger ist der Enkel des rechtsradikalen Abgeordneten und Rabbiners Meir Kahane, dessen rassistische Partei Kach 1988 in Israel verboten wurde.

Bei beiden Brandanschlägen kamen die Täter in den frühen Morgenstunden, verletzten Menschen und hinterließen Schriften an den Wänden. Am Kloster der Brotvermehrungskirche stand die Warnung: „Die falschen Götter werden zerschmettert“, und am Haus der Dawabsches in Duma stand: „Rache“ und „Es lebe der König, der Messias“.

Diese Schriften deuten auf die radikale Siedlergruppe Preisschild hin. Mehrere Dutzend jüdische Aktivisten, die zumeist aus „illegalen Siedlervorposten“ im Westjordanland stammen, sollen zu ihr gehören

Das bisherige erklärte Ziel der Leute, die auch unter dem Begriff Hügeljugend gehandelt werden, weil sie sich mit ihren Wohnmobilen bevorzugt auf Hügeln niederlassen, ist, mit ihren Aktionen Regierung und Armee davon abzubringen, ihre illegal errichteten Unterkünfte wieder abzureißen. Der Brandanschlag in Duma folgte nur wenige Tage auf den Abriss zweier Häuser in der Siedlung Beit El, die illegal auf dem privaten Grundstück palästinensischer Eigentümer errichtet worden waren.

Die jüdischen Terroristen werden in ihrer Methode wie auch ihrer Zielsetzung immer maßloser. „Sie haben heute ehrgeizigere Ziele, wollen das Land destabilisieren und die Regierung stürzen, um ein neues Regime zu etablieren, das auf der Halacha, dem jüdischen Recht, basiert“, schrieb die liberale „Ha'aretz“ am Montag. Zu dieser Erkenntnis sei der inländische Geheimdienst Shin Bet bereits Ende letzten Jahres gekommen. Die führenden Köpfe der Gewaltaktionen seien den Sicherheitskräften lange bekannt. Problematisch sei jedoch eine Beweisführung, die vor Gericht standhält.

Vermummte bewaffnete Siedler

Der Begriff Preisschild tauchte zum ersten Mal 2008 auf. Damals standen mehrere illegale Siedlervorposten vor der Räumung. Um die Übergriffe zu dokumentieren und die Filme vor Gericht als Beweismaterial zu verwenden, verteilte die Menschenrechtsorganisation B'Tselem hunderte Kameras an palästinensische Zivilisten. Die Videos von vermummten und teilweise bewaffneten Siedlern, die palästinensische Bauern angreifen, sind sogar im Internet zu sehen. Zu einer systematischen Verfolgung der jüdischen Extremisten kam es dennoch bis heute nicht.

„Ha'aretz“ berichtet, dass die Täter mit der jüngsten Radikalisierung auch den Mord an Arabern für gerechtfertigt halten und bereit sind, selbst lange Haftstrafen in Kauf zu nehmen. Pater Nikodemus Schnabel, Sprecher der deutschen Dormitio-Abtei in Jerusalem, der das Kloster in Tabgha untersteht, kritisiert, dass die Regierung die jüdische Gewalt oft abgetan habe. „Da war von Drogenabhängigen die Rede, von psychischen Problemen oder dem Jerusalemsyndrom.“ Nun hat die Regierung ein schärferes Vorgehen gegen jüdische Extremisten angekündigt. Das Sicherheitskabinett billigte am Montag auch härtere Verhörmethoden gegen diese Gruppe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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