Generalbundesanwalt wankt in Affäre um "Landesverräter"

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Die Ermittlungen gegen zwei Journalisten eines Internetblogs könnten den obersten deutschen Ankläger, Harald Range, den Job kosten. Am Montag ging auch Kanzlerin Merkel auf Distanz zum Generalbundesanwalt.

Berlin. Die Meldung tauchte am 25.Februar um Punkt 10.40Uhr auf der Webseite Netzpolitik.org auf. Sie stützte sich auf Zitate aus vertraulichen Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes (Verfassungsschutzes) und legte dar, dass ebendieser die Massenauswertung von Internetinhalten plane. Ein weiterer Beleg für den umstrittenen Ehrgeiz der deutschen Geheimdienstler also.

Doch nun tobt seit Tagen ein politischer Streit um die Nachwehen dieses und eines weiteren Berichts des Internetblogs „Netzpolitik.org“, der Generalbundesanwalt Harald Range den Job kosten könnte. Der oberste deutsche Ankläger hatte gegen den Autor des Berichts, Andre Meister, und den Betreiber von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – wegen Landesverrats. Ringsherum gehen Politiker nun auf Distanz zum Generalbundesanwalt. Schon am Freitag äußerte SPD-Justizminister Heiko Maas Zweifel an den Ermittlungen, am Montag die Bundeskanzlerin. Sie billige die distanzierte Haltung von Maas ausdrücklich, ließ Angela Merkel mitteilen. „Gerade wenn die Pressefreiheit betroffen ist, müssen Behörden eine besonders sensible Abwägung vornehmen“, sagte eine Sprecherin. Ob Range noch Merkels uneingeschränktes Vertrauen genieße? Kein Kommentar.

Das Innenministerium von Thomas de Maiziere (CDU) teilte ebenfalls öffentlich die Zweifel des Justizministers, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, „die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“, wie ein Teil des Landesverratsparagrafen formuliert ist. Range war bereits am Freitag zurückgerudert. Er wolle die Ermittlungen vorerst ruhen lassen, bis ein externes Gutachten vorliege.

Dennoch prasselten weitere Rücktrittsaufforderungen auf den Juristen und FDP-Parteianhänger ein. „Es wäre Zeit, den Hut zu nehmen“, twitterte der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek. SPD-Vize Ralf Stegner warf dem Generalbundesanwalt „Nichtstun im Zusammenhang mit den massenhaften NSA-Ausspähaktionen“ vor. Stattdessen schieße er „mit Kanonen auf Blogspatzen“ und treffe dabei die Pressefreiheit, so Stegner im „Handelsblatt“. Range hatte das Verfahren in der Abhöraffäre um Merkels Handy eingestellt.

„Angriff auf Pressefreiheit“

Die Kontroverse um Range ist auch für Justizminister Maas heikel, der den Beamten theoretisch entlassen könnte. Schon am 27.Mai soll sein Ressort über die Ermittlungen informiert worden sein, wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichten. Das Justizministerium hat Range zwar nach eigenen Angaben signalisiert, dass man die Ermittlungen für falsch halte. Die Bundesanwaltschaft will sich an die Einwände aber nicht erinnern, wie es in dem Bericht heißt. Es habe nur allgemeine Hinweise gegeben, dass ein solches Verfahren problematisch sein könnte. Eine undurchsichtige Rolle spielt Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Er hat die Ermittlungen mit einer Anzeige gegen unbekannt angestoßen und diese in der „Bild am Sonntag“ als notwendig verteidigt, „um die Arbeitsfähigkeit meines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen“. Zugleich betonen Mitarbeiter, die Anzeige habe auf die Quellen gezielt – nicht auf die Journalisten.

Die beiden Blogger selbst geißelten die Ermittlungen als „Angriff auf die Pressefreiheit“. Der Ärger der Netzgemeinde entlud sich auch in einer Demonstration am Wochenende in Berlin. Zugleich legten Hacker die Website des Generalbundesanwalts lahm. Wer am Montag auf „Aktuelles“ klickte, bekam die Meldung „Datenbank existiert nicht“. Der Angriff soll schon am Freitag verübt worden sein. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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