Ägypten: „Das bringt uns zurück in die Mubarak-Zeit“

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Das neue Anti-Terror-Gesetz enthält etliche Gummiparagrafen. Präsident Sisi kann sich damit en passant auch missliebiger Gegner entledigen und Journalisten mundtot machen. Menschenrechtsorganisationen protestieren.

Kairo. Der ägyptische Präsident, Abdel Fatah al-Sisi, hat ein seit Monaten hitzig diskutiertes neues AntiTerror-Gesetz abgesegnet. Damit will die Regierung, so die offizielle Lesart, der wachsenden Terror- und Anschlagsgefahr im Land am Nil begegnen. Angeschoben wurde der seit Monaten diskutierte Entwurf nach der Ermordung des obersten Staatsanwalts Hisham Barakat im vergangenen Monat. Menschenrechtsgruppen sehen das neue Gesetz indes als Instrument, auch politischen Dissens zum Schweigen zu bringen.

Besonders umstritten ist ein Paragraf, der eine Geldstrafe und ein zeitlich begrenztes Berufsverbot für Journalisten vorsieht, die bei Terroranschlägen oder bei Anti-Terror-Maßnahmen in ihren Berichten den offiziellen Angaben widersprechen. Ihnen droht eine Geldstrafe von umgerechnet 23.000 bis 57.000 Euro und bis zu ein Jahr Berufsverbot. Ihren Ausgang nahm diese Regelung von einer Anschlagsserie gegen Armee und Polizei im Juli im Nordsinai, bei dem nach anfänglichen offiziellen Angaben 17 Angehörige des Sicherheitsapparats umkamen. Internationale Nachrichtenagenturen hatten damals zunächst von 60 bis 70 toten Soldaten gesprochen. Die Angaben lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen. Journalisten sind Reisen in den Nordsinai untersagt.

Im ursprünglichen Entwurf des Anti-Terror-Gesetzes hatte den Journalisten bei widersprüchlichen Angaben eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren gedroht. Nach einem Aufschrei des ägyptischen Journalistenverbands wurde das Gesetz modifiziert.

Was ist eine Terrorgruppe?

Im neuen Gesetz sind bei Fällen, die terroristische Gruppen betreffen, Sondergerichte und Schnellverfahren vorgesehen und hohe Gefängnisstrafen für jene, die an Terrororganisationen teilnehmen, sie finanzieren, zur Gewalt aufrufen oder die Botschaften von Terrororganisationen im Internet verbreiten. Das Problem ist hier vor allem die weite Auslegung des ägyptischen Staats, wer eine Terrororganisation darstellt. Für die ägyptischen Behörden zählt nicht nur ein Ableger des Islamischen Staats im Nordsinai als Terrororganisation, sondern auch die Muslimbruderschaft, die nach der Revolution in Ägypten mehrere Wahlen gewonnen hat. Auch lokale Fußballfanvereine, die sogenannten Ultras, wurden von ägyptischen Gerichten schon zu Terrororganisationen deklariert.

Das neue Gesetz macht es zudem noch schwerer, Mitglieder der Polizei oder der Armee „in der Ausübung ihrer Pflicht“ nach gewalttätigen Einsätzen zur Rechenschaft zu ziehen. Es gibt auch staatlichen Offiziellen, die nicht den Sicherheitskräften angehören, das Recht, Verhaftungen auszuführen.
Und der Präsident hat laut dem neuen Gesetz die Möglichkeit, mit parlamentarischer Zustimmung Ausgangssperren zu verhängen und Gebiete bis zu sechs Monaten zu isolieren. Bisher gibt es aber gar kein Parlament.

Artikel 46 gibt dem Staatsanwalt oder einer speziellen Untersuchungsbehörde das Recht, für bis zu drei Monate alle Formen der Kommunikation zu überwachen, in Fällen, die mit Terrorismus in Verbindung stehen. Das beinhaltet die Überwachung der Telefone und der Internetaktivitäten.

Täter bleiben straflos

„Das bringt uns zurück in die Mubarak-Zeit und zu 30 Jahren Notstandsgesetzen, die die Menschen 2011 auf die Straße gebracht haben“, wird Mohamed Al-Messiry, ein ägyptischer Berichterstatter für Amnesty International, in der lokalen Presse zitiert. „Obwohl die Sicherheitskräfte eine lange Geschichte exzessiver Gewalt haben, bereitet dieses Gesetz den Weg zu deren Straflosigkeit“, kritisiert er. Außerdem, so Al-Messiry, widerspreche das Gesetz der ägyptischen Verfassung und dem internationalen Recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2015)

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