Egon Bahr: Der Baumeister der deutschen Ostpolitik ist tot

Egon Bahr verstarb im Alter von 93 Jahren.
Egon Bahr verstarb im Alter von 93 Jahren.REUTERS
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Der SPD-Politiker und engster Vertrauter von Willy Brandt verstarb im Alter von 93 Jahren. Die Wiedervereinigung Deutschlands war sein politisches Ziel.

"Für mich war immer wesentlich, wann und wie kommen die Deutschen wieder zusammen", das war das Wesentliche an Egon Bahrs Politik. Der deutsche SPD-Politiker und Sprecher Willy Brandts verstarb im Alter von 93 Jahren, wie am Donnerstag aus SPD-Kreisen bekannt wurde. Bahr gilt als Baumeister der deutschen Ostpolitik.

"Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer haben wir in der letzten Nacht vom Tode Egon Bahrs erfahren", erklärte Parteichef Sigmar Gabriel am Donnerstag auf Facebook. Bahr sei ein "großer Vordenker der Sozialdemokratie" gewesen, der "mit einzigartiger politischer Tatkraft Konzepte in die Tat umsetzte". Er werde "Egon auch als Freund und Ratgeber sehr vermissen", erklärte Gabriel weiter. Die Ostpolitik Brandts und Bahrs sei "eine entscheidende Voraussetzung zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas" gewesen.

Egon Bahr galt als einer der Wegbereiter der neuen deutschen Ostpolitik unter der Regierung Brandts (1969 bis 1974). Der am 18. März 1922 geborene Politiker war zu Zeiten des Mauerbaus 1961 Sprecher des Berliner Senats, später unter anderem Staatssekretär im Kanzleramt. 1972 wurde er in Brandts Kabinett Minister für besondere Aufgaben, später übernahm er das Entwicklungsressort. 1976 übernahm er das Amt des Bundesgeschäftsführers der SPD.

"Wir waren alle Objekte"

Bahr kam in Thüringen zur Welt. Als er in den 50er Jahren als Journalist nach Bonn gekommen sei, habe er festgestellt, dass die Sozialdemokraten die einzigen gewesen wären, die prioritär die deutsche Einheit angestrebt hätten, weshalb er dieser Partei beigetreten wäre, sagte Bahr anlässlich seines 90. Geburtstages im Jahr 2012. Unter dem Eindruck des Mauerbaus hätten "wir uns im Schöneberger Rathaus sehr allein gefühlt, weil wir festgestellt haben, dass alle vier Mächte für die Erhaltung des Status quo waren", weil sie keinen neuerlichen Krieg gewollt hätten. "Es gab tatsächlich keinen Versuch die Verhältnisse zu ändern. Wir alle waren Objekte und sind es fast bis zur Wiedervereinigung geblieben", so Bahr.

Die Sozialdemokraten im Schöneberger, also Westberliner Rathaus hätten gewollt, dass die Westberliner ihre Verwandten im Ostteil besuchen konnten. Daraus sei die erste Auseinandersetzung in Berlin, bald auch im Bund geworden. "Das war eine schreckliche Sache", erinnerte sich der SPD-Politiker. "Der Tabubruch bestand darin, dass man sich erstmals den Menschen im Osten zuwandte. Wer von jemandem nichts will, spricht ihn nicht an. Aber wir wollten Passierscheine, deshalb mussten wir mit den Leuten Kontakt aufnehmen."

Konfliktlösung liegt im Dialog

Diese Strategie sah Bahr als Vorbild für heutige Konflikte: "Wenn ich mir überlege, wie man im Nahen Osten zu einer Lösung zwischen Israelis und Palästinensern kommen kann, dann muss es damit beginnen, die andere Seite anzuhören, das heißt, dass man miteinander redet", sagte er. "Ich habe nie verstanden, dass man glaubt, in Afghanistan zu einer Lösung zu kommen ohne mit den Taliban zu reden." Bis zuletzt meldete sich Bahr immer wieder zu aktuellen Krisen zu Wort. 

Über seine Rolle - Bahr war Berliner Senatssprecher, Planungschef im Auswärtigen Amt und Staatssekretär im Bundeskanzleramt unter Brandt - plauderte er bei einer Buchpräsentation seines Buches über Willy Brandt im November 2013 in Wien aus der Schule: "Ich hatte im Gegensatz zu US-Außenminister Henry Kissinger Rückendeckung meines Kanzlers, Kissinger dagegen hatte mit Richard Nixon einen sehr schwierigen Chef, obwohl dieser ein guter Außenpolitiker war". Er habe mit seinem Chef auch nicht so schreckliche Erfahrungen machen müssen wie Kissinger, etwa "gemeinsames Knien und Beten", so Bahr.

(APA/Red.)

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