Der Gründer des Front National, Jean-Marie Le Pen, reagiert auf seinen Partei-Rauswurf mit dem, was er am besten kann: Er gibt den Widerstandskämpfer und attackiert „die da oben“.
Paris. Jean-Marie Le Pen steht vor einem Scherbenhaufen, beruflich wie privat. Die Partei, die er 1972 gegründet und Jahrzehnte lang geführt hatte, hat ihn verstoßen. Und dann ist es auch noch die eigene Tochter, die dem 87-Jährigen den Fußtritt versetzt hat, der ihn aufs Altenteil befördern soll.
Marine Le Pen, mit Rückendeckung des Vaters 2011 zur Chefin des rechtsradikalen Front National (FN) gekürt, hat den Rauswurf in die Wege geleitet und anschließend die Begründung nachgereicht. „Eine Vielzahl von Verfehlungen“ kreidet sie dem Vater an.
Um die immer gleichen Nazisprüche des früheren Fremdenlegionärs geht es, die Verharmlosung der Gaskammern des Dritten Reiches als „Detail der Geschichte“ zumal. Und es geht darum, dass er damit den von der Tochter eingeleiteten Kurswechsel des Front National sabotiert. Sie will die rechtsradikale Protestpartei zu einer rechtspopulistischen, zur politischen Mitte ausgreifenden Volkspartei machen und an deren Spitze 2017 den Élysée-Palast erobern.
Doch Jean-Marie Le Pen wirkt nicht wie ein gebrochener Mann. Er scheint sich damit zu trösten, dass er auf seine alten Tage noch einmal in seine Lieblingsrolle schlüpfen darf. Den Widerstandskämpfer darf er geben, sich als aufrechter Mann des Volkes gebärden, der gegen „die da oben“ aufbegehrt, die ihn mundtot machen wollen. Nur dass „die da oben“, anders als zu Zeiten, da er selbst dem Front National den Weg wies, nicht Frankreichs Regierende sind, sondern die Tochter und andere Spitzenfunktionäre des Front National. Er werde gegen den Parteiausschluss vor Gericht ziehen, hat Jean-Marie Le Pen angekündigt.
Sich selbst hinterfragen, rechtsradikale Positionen räumen, das will er nicht. Das kann er vermutlich auch gar nicht. Selbst zu irgendeiner Art von Politik scheint er nicht mehr in der Lage. Als Ewiggestriger kann er nur wiederholen, was er schon immer gesagt hat. Aber provozieren, das kann er noch. Das hat er schließlich schon immer getan.
Offener Ausgang der Fehde
Der Ausgang der Familienfehde bleibt also offen. Und offen bleibt auch, ob Marine Le Pen von der Fehde politisch profitiert. Gewiss, die Parteichefin hat mit dem Rauswurf ein Zeichen gesetzt. Der FN hat mit dem Rechtsradikalismus, der ihn unter Jean-Marie Le Pen auszeichnete, nichts mehr gemein, lautet die Botschaft. Neue Wählerschichten mag sie sich so erschließen. Zugleich muss sie sich aber die Frage gefallen lassen, wie sie in Frankreich die verheißene Ordnung schaffen will, wenn dies nicht einmal in der Familie gelingt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)
