Nordkoreas paranoider Herrscher

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Um seine Macht abzusichern, greift Kim Jong-un zu radikalen Mitteln. 70 hochrangige Funktionäre habe er seit seinem Amtsantritt hinrichten lassen. Auch außenpolitisch setzt der kommunistische Diktator auf Abschreckung.

Wien. Kim Jong-un will an der Macht bleiben. Und das mit allen Mitteln. Außenpolitisch setzt der mondgesichtige Diktator auf Abschreckung. Auf die „provozierende Feindschaft der USA“ reagiert Nordkorea mit dem Ausbau seines Atom- und Raketenprogramms. Seinen südlichen Nachbarn weiß die Militärdiktatur mit verbalen und – meist harmlosen – militärischen Attacken zu verunsichern. Das ultranationalistische Säbelrasseln, meint Rüdiger Frank, Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien, funktioniere innerkoreanisch überraschend gut.

Doch auch im Kampf um seinen innenpolitischen Machterhalt gibt es wenige Gräueltaten, die Kim Jong-un nicht zugetraut werden. So zweifelte kaum jemand daran, dass der 32-Jährige seinen Onkel Jang Song-thaek, den damals zweitwichtigsten Mann Nordkoreas, vor zwei Jahren als „Verräter“ von ausgehungerten Hunden zerfleischen ließ. Diesen Mai machten Meldungen die Runde, Ex-Verteidigungsminister, Hyon Yong-chol, sei durch Flakfeuer hingerichtet worden – offenbar, weil er bei hochrangigen Militärtreffen eingedöst war.

Kims Onkel wurde tatsächlich hingerichtet, die Hunde entpuppten sich aber als Erfindung einer Satirezeitung. Zwar hat eine US-Menschenrechtsorganisation auf Satellitenbildern bestätigt, dass Oppositionelle durch Luftabwehrgeschütze aus rund 30 Metern Entfernung exekutiert werden. Einige Kommentatoren allerdings bezweifeln, dass der ranghohe Militär überhaupt hingerichtet worden war. Er könnte, so wie andere in Ungnade gefallene Vertraute, von Kim versetzt oder verbannt worden sein. Gar 70 hochrangige Funktionäre habe Kim seit seinem Amtsantritt im Dezember 2011 exekutieren lassen, berichtete die südkoreanische Agentur Yonhap im Juli.

Ob die Details nun stimmen oder nicht, „prinzipiell kann man davon ausgehen, dass Kim Jong-un eine Säuberungswelle innerhalb der Top-Elite durchgeführt hat“, sagt Frank. So habe er sich potenzieller Widersacher entledigt. Dabei sei die Mordkampagne unter Kim Jong-un bezeichnend für das nordkoreanische System. Um ein Land wie Nordkorea regieren zu können, meint der Nordkorea-Buchautor, brauche Kim loyale Unterstützer und müsse stets auf Widerstand gefasst sein. „Er ist so radikal, wie ein Diktator zum eigenen Machterhalt sein muss“, erklärt Frank. Auch Kim Jong-uns Vater Kim Jong-il habe seine Macht auf ähnliche Weise abgesichert – allerdings vor seinem Amtsantritt.

Schwester poliert Image auf

Kim Jong-un hingegen wurde nach dem Tod seines Vaters vor vier Jahren sehr kurzfristig zum Nachfolger erkoren. Er habe damit wenig Zeit gehabt, Vertraute in Schlüsselpositionen zu bringen, um seine Machtbasis aufzubauen. Zu Kims Vertrauenspersonen dürften entweder Verwandte oder enge Freunde aus Jugendtagen zählen. Besonders verlassen dürfte sich der Diktator auf seine Schwester Kim Yo-jong. Sie wurde erst kürzlich damit beauftragt, das Image ihres Bruders im Inland zu fördern.

Dass Kim sich innerhalb Nordkoreas nur selten traue zu reisen, bemerkte der Nordkorea-Experte Michael Madden, dürfte noch auf etwas anderes hinweisen: auf die Paranoia des jungen Herrschers.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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