Flüchtlingskrise dominiert Konferenz in Wien

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Mazedonien lässt Flüchtlinge wieder gen Norden passieren. Kurz will bei der Westbalkan-Konferenz über gemeinsame Lösungen sprechen.

Skopje/Wien. Eigentlich hätte es bei der hochrangig besetzten Westbalkan-Konferenz am Donnerstag in Wien in erster Linie um die EU-Integration von Albanien und den aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangenen Ländern Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Kosovo gehen sollen. Nun aber überschattet die ungelöste Flüchtlingskrise das Treffen in der Hofburg, zu dem auch die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, und die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, erwartet werden.

Mazedonien, das seine Grenze für aus Griechenland kommende Flüchtlinge in der vergangenen Woche für drei Tage abgesperrt hat, lässt nach einer dramatischen Zuspitzung der Situation am Samstag nun wieder täglich hunderte Menschen passieren – sie ziehen über Serbien nach Nordeuropa. Laut Behörden sollen auch in den kommenden Tagen „den Kapazitäten entsprechend“ Flüchtlinge ins Land gelassen werden.

Die Grenze bei Gevgelija war drei Tage lang abgeriegelt gewesen. An Samstagnachmittag durchbrachen rund tausend Flüchtlinge die Grenzabsperrungen und stürmten auf mazedonisches Staatsgebiet. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein, gab dann jedoch die Grenze vollständig frei. Schon in den vergangenen Wochen waren jeden Tag rund tausend Flüchtlinge ins Land gekommen. Griechenland, das mit dem Flüchtlingsansturm heillos überfordert ist, hat vergangene Woche hunderte Flüchtlinge von den völlig überfüllten Ägäis-Inseln in die Hafenstadt Thessaloniki gebracht und umgehend in Busse in Richtung zur Grenze nach Mazedonien gesetzt.

Zahl der Flüchtlinge in Serbien steigt

Weil die mazedonische Grenze nun wieder ungehindert passierbar ist, ist die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak im südserbischen Presevo erneut rasch angestiegen. Am Wochenende trafen dort mehr als 6000 Flüchtlinge ein. Im nahe gelegenen Dorf Miratovci wurde am Sonntag von serbischen Streitkräften eilig ein neues Aufnahmelager für rund 4000 Personen aufgebaut. Verteidigungsminister Bratislav Gasic zufolge wurden vom russisch-serbischen Humanitären Zentrum im südserbischen Nis neun Großzelte zur Verfügung gestellt. Doch via Serbien und Mazedonien gelangen nicht nur Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien und Afghanistan weiter nach Österreich, Deutschland oder Schweden. Auch zahlreiche Bürger aus den Westbalkan-Staaten – etwa dem Kosovo oder Serbien – wollen in Nordeuropa Asyl erhalten.

Anfang des Jahres ist die Zahl der Anträge aus dem Kosovo in die Höhe geschnellt, in Österreich ist sie seither aber wieder stark zurückgegangen. Dagegen stammten im laufenden Jahr bisher fast 45 Prozent der Asylanträge in Deutschland von Menschen aus den sechs Nicht-EU-Staaten des Westbalkan.

5-Punkte-Plan als Diskussionsgrundlage

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht die Westbalkan-Konferenz als Chance, über gemeinsame europäische Strategien zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu sprechen. Ein Fünfpunkteplan, den das Außenministerium am Wochenende veröffentlicht und den Kurz auch in einem Brief an Mogherini dargelegt hat, soll eine Grundlage für die Diskussionen bilden.

Darin bezeichnet Kurz im Sinn der Ursachenbekämpfung ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates für militärische Einsätze gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als erstrebenswert. So soll die Basis für den Kampf gegen IS über die US-geführte, von allen EU-Staaten unterstützte Allianz hinaus verbreitert werden. Die Einrichtung von Sicherheits- und Pufferzonen müsse stärker betrieben werden, heißt es weiter. In Nordafrika seien solche Zonen bisher nicht angegangen worden. In Ursprungs- oder benachbarten Ländern wären Aufnahmezentren mit der Möglichkeit, Asylanträge außerhalb der EU zu stellen, notwendig, „gleichzeitig aber auch Informations- und Beratungszentren zur Aufklärung über Risken illegaler Migration in die EU“.

Für Aufnahmezentren in Italien und Griechenland soll es Finanzmittel der EU geben. Die Missionen der EU-Grenzschutzagentur Frontex müssten gestärkt werden, und so wie für die zentrale Mittelmeerroute nach Italien oder Malta soll es auch für Griechenland und Bulgarien im Ostmittelmeer ein gemeinsames Vorgehen der EU bei der Grenzüberwachung geben. Überhaupt brauche die EU einen gemeinsamen Außengrenzschutz. (ag./red.)

AUF EINEN BLICK

Mehr als 30 hochrangige Regierungsvertreter der Westbalkan-Staaten, der EU, auch Deutschlands und Österreichs, werden am 27. August in Wien über die Zukunft der Region beraten. Überschattet wird das Treffen von der Flüchtlingsproblematik in und außerhalb von Europas Grenzen. Angesagt haben sich neben Regierungschefs, Außen- und Wirtschaftsministern der teilnehmenden Länder auch die EU-Außenbeauftragte, Frederica Mogherini, der EU-Kommissar für die Energieunion, Maros Sefcovic, und die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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