Ungarn will Flüchtlinge direkt an der Grenze internieren

Asylwerber, die Ungarn über die Balkan-Route erreichen, sollen in einer 60 Meter breiten Zone entlang der Grenze festgehalten werden, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.

Die rechts-konservative ungarische Regierungspartei Fidesz macht die EU für die 71 Toten des Flüchtlingsdramas auf der Ostautobahn (A4) verantwortlich und will härter gegen Flüchtlinge vorgehen. Sie plant, Tausende Flüchtlinge direkt an der Grenze zu Serbien zu internieren. Asylwerber, die Ungarn über die Balkan-Route erreichen, sollen in einer 60 Meter breiten Zone entlang der Grenze festgehalten werden, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Dies sieht der Entwurf eines Gesetzespaketes vor, der am Freitag im Parlament eingereicht wurde.

Das Paket beinhaltet darüber hinaus weitreichende Durchgriffsrechte gegenüber Flüchtlingen. So kann die Regierung ab einer bestimmten täglichen Flüchtlingszahl einen "Masseneinwanderungsnotstand" verkünden, der zu besonderen Maßnahmen ermächtigt, wie etwa der Internierung in den sogenannten Transitzonen an der Grenze.

Aber auch die Armee soll künftig gegen Flüchtlinge eingesetzt werden. Das Überwinden des fast fertiggestellten Zauns an der Grenze zu Serbien soll ein Straftatbestand werden, für den bis zu drei Jahre Gefängnis drohen. Wird der Zaun dabei beschädigt, können ein bis fünf Jahre verhängt werden.

Das Gesetzespaket, das bereits Ende nächster Woche vom Parlament verabschiedet werden könnte, sieht auch die Erhöhung des Strafmaßes für Schleppertätigkeiten vor. Die neuen Bestimmungen sollen nach Vorstellung der Regierung Mitte September in Kraft treten.

UNO-Flüchtlingskommissar für legale Wege in die EU

Der UNO-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres forderte angesichts der Tragödie bei Parndorf legale Wege für Flüchtlinge in die EU und rief die europäischen Staaten zum entschlossenen Vorgehen gegen Schlepperbanden auf. "Diese Menschenschmuggler sind die schlimmsten kriminellen Banden und es ist tragisch, dass sie sich im Mittelmeer und inzwischen auch auf den Autobahnen Mitteleuropas bewegen können", sagte Guterres in Genf. "Wir brauchen legale Zugangswege, auf denen Menschen nach Europa kommen können, die wirklich Schutz benötigen, ohne dass sie solche schrecklichen Verletzungen ihrer Menschenrechte erdulden müssen", sagte der UNO-Hochkommissar.

Auch Innenministerin Mikl-Leitner sprach sich dafür aus, Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten einen "legalen Weg nach Europa" zu ermöglichen. Hier sei eine gemeinsame und vor allem rasche Vorgangsweise der EU gefragt. Von verstärkten innerstaatlichen Grenzkontrollen halte sie nichts, meinte die Ressortchefin. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kündigten ein entschlossenes Vorgehen gegen die Schlepperei an. Am Dienstag gibt es eine Erklärung der beiden im Nationalrat zum Thema Asyl.

Faymann seinerseits kündigte außerdem an, den Druck auf jene Staaten erhöhen zu wollen, die sich gegen eine fairere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU wehren. Konkret dachte er im Ö1-"Mittagsjournal" an, Förderungen für Länder zurückzuhalten, die sich hier einer gemeinsamen Lösung verschließen. Denn sonst würden etwa die baltischen Staaten, Polen, Tschechien und die Slowakei ihren Widerstand nicht aufgeben.

Polens Präsident Andrzej Duda warnte, jede Eskalation der Gewalt im Nachbarland Ukraine könne einen Flüchtlingsstrom auslösen. Weil Polen bereits Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, sperrt sich die Regierung in Warschau gegen die Aufnahme auch von Flüchtlingen, die über Italien und Griechenland Europa erreicht haben, sagte Duda, der am Freitag Berlin besuchte.

EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise?

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schließt einen EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise in den kommenden Wochen nicht aus. Allerdings sei der Zeitpunkt hierfür noch nicht gekommen, weil weder die Innenminister noch die EU-Kommission ihre Vorarbeiten abgeschlossen hätten, sagte Merkel am Freitag nach einem Treffen mit dem dänischen Ministerpräsidenten Lars Lokke Rasmussen in Berlin.

Die EU muss in den kommenden Wochen sowohl über eine Liste sicherer Herkunftsstaaten und eine bessere Registrierung der Flüchtlinge als auch über eine Verteilung von Asylwerbern auf die einzelnen Mitglieder entscheiden. Angesichts einer großen deutsch-französischen Übereinstimmung bei dem Thema sei sie zuversichtlich, dass bald Lösungen gefunden werden könnten, sagte Merkel weiter. Deutschland und Frankreich fordern die Einrichtung von EU-Registrierungszentren für Flüchtlinge in Italien und Griechenland noch in diesem Jahr. Rasmussen betonte, auch Dänemark werde einen Teil der Verantwortung übernehmen, obwohl sein Land nicht an der gemeinsamen EU-Asyl- und Flüchtlingspolitik teilnimmt.

EU-Kommission plant Besuch in Traiskirchen

Unterdessen wurde bekannt, dass der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, und der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos am 7. September das Asyl-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen besichtigen werden. Zuvor wollen Timmermans und Avramopoulos weitere besonders stark von der Flüchtlingskrise betroffene Länder besuchen. Bereits am 31. August reisen beide ins französische Calais. Avramopoulos will sich außerdem in den nächsten Tagen auf der griechischen Insel Kos ein Bild von der Flüchtlingslage machen.

Österreich hat in Brüssel Nothilfe in Höhe von 5,4 Millionen Euro zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik beantragt. Das Geld soll in die Finanzierung der Grundversorgung fließen, also in Unterkünfte und in die Verpflegung von Asylsuchenden. Die EU-Kommission hat zugesichert, den Antrag Österreichs bis Monatsende zu prüfen.

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(APA/dpa)

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