Kaum ist der Grenzzaun fertig, bricht zwischen Ungarn und Frankreich ein Streit um europäische Werte aus. Budapests Argument: Der Schutz der Schengen-Außengrenze.
Erst am Samstag stellte Ungarn den 175 Kilometer langen Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Serbien fertig - und schon liefern sich die Regierungen in Paris und Budapest diplomatische Scharmützel. Der Zaun verletze "die gemeinsamen europäischen Werte", sagte der französische Außenminister Laurent Fabius französischen Medien am Sonntag. Die Barriere müsse wieder abgebaut werden. Fabius warf Ungarn und anderen osteuropäischen Länder zudem eine "skandalöse" Haltung vor, weil sie nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen.
Daraufhin zitierte Budapest für Montag einen Vertreter der französischen Botschaft ins Außenministerium. Damit wolle Außenminister Peter Szijjarto Ungarns Haltung in dieser Angelegenheit deutlich machen, berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Zum Rang des französischen Botschaftsvertreters wurden keine Angaben gemacht. "Anstelle von schockierenden und unbegründeten Verurteilungen sollte man sich lieber auf die Suche nach gemeinsamen Lösungen für Europa konzentrieren", rügte Szijjarto laut MTI. "Ein guter Europäer ist, wer die Regeln Europas befolgt", hieß es weiter. Zu diesen Regeln gehöre, dass sich "alle EU-Mitglieder verpflichten, ihre eigenen Grenzen sowie die Außengrenzen der EU zu schützen".
Andrang von Flüchtlingen ungebrochen
Die rechtsgerichtete ungarische Regierung hatte am Samstag die Fertigstellung der Absperrung aus NATO-Draht bekannt gegeben. In den kommenden Wochen soll dahinter auf ungarischem Gebiet mit dem Bau des eigentlichen Grenzzaunes begonnen werden. Vier Meter soll er in die Höhe ragen und damit verhindern, dass Flüchtlinge unkontrolliert über die ungarische Grenze gelangen. Die Regierung unter Viktor Orban kündigte daher im Vorfeld an, Kontrollpunkte zu errichten, an denen Flüchtlinge nach Ungarn einreisen sollen. Ob der Plan umgesetzt wird, ist jedoch noch nicht klar.
Trotz des Behelfzauns aber schafften es am Wochenende weiterhin tausende Flüchtlinge aus Serbien in das Land. Allein am Samstag seien 2.700 Flüchtlinge gekommen, teilte die ungarische Polizei am Sonntag mit. Seit Jahresbeginn kamen fast 150.000 Flüchtlinge, rund 50.000 davon allein in diesem Monat. Die meisten von ihnen gelangen über Serbien ins Land und wollen über Österreich in Länder wie Deutschland oder Schweden weiterreisen.
Die EU-Kommission will eine freiwillige Aufteilung der Flüchtlinge unter allen EU-Mitgliedstaaten erreichen, um die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland zu entlasten. Gegen den Plan gibt es erbitterten Widerstand in vielen Ländern, darunter Ungarn, Polen, die Slowakei und Slowenien. Auch Österreich, wo die Regierung zuletzt vehement fixe EU-Quoten forderte, stimmte zuletzt gegen die von der EU-Kommission geforderte Aufnahme von 1.657 Flüchtlingen.
Wie kann das Schengen-System reformiert werden? Diskutieren Sie mit im Themenforum
(APA/AFP)