Grenzverkehr: Das Warten auf die Flüchtlinge

(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
  • Drucken

Von Ungarn aus setzen sich hunderte Flüchtlinge in Zügen Richtung Österreich und Deutschland in Bewegung. In Wien bereitete sich die Polizei auf den Ansturm vor.

Am Wiener Hauptbahnhof wartete bereits alles auf die Ankunft Hunderter Flüchtlinge. Ungarische Medien hatten am Montag berichtet, unzählige Menschen, die zuvor am Budapester Hauptbahnhof campiert hatten, hätten die Züge nach Österreich und Deutschland regelrecht gestürmt. Die Flüchtlinge versuchten offenbar, nach Deutschland zu gelangen. Am Montag vormittag hatten nämlich Gerüchte kursiert, Deutschland stellte eigene Züge zur Verfügung, um syrische Asylwerber aus Ungarn nach Deutschland zu bringen. Die Regierung in Berlin dementierte später jedoch.

Spätestens in Österreich schienen die Flüchtlinge aber am Ende ihrer Reise angelangt: Für Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen möchten und das noch nicht in Ungarn gemacht haben, werd rasche das Asylverfahren eingeleitet, erklärt der Sprecher der Wiener Polizei, Roman Hahslinger. Jene Flüchtlinge aber, die bereits in Ungarn einen Antrag gestellt haben werden ebenso zurückgeschickt, wie jene, die nach Deutschland weiter fahren möchten.

Hahslinger rief am Wiener Hauptbahnhof angesichts des Medienandrangs eine spontane Pressekonfrenz ein. Wie viele Beamten im Einsatz sind, könne er nicht sagen, nur so viel: Sie warten das Eintreffen der Flüchtlinge ab, die in Budapest die Züge Richtung Deutschland und Österreich gestürmt haben. Der Großteil der Flüchtlinge wurde via Railjet am Hauptbahnhof erwartet. Aber auch am Westbahnhof rechnete man mit Flüchtlingen, die via Regionalzügen anreisen. Täglich kommen übrigens 15 Züge von Ungarn nach Wien.

Gedränge am Bahnhof in Budapest

Aus einem Schaffner des Railjet-Zuges von Budapest nach Wien brach es am Montag kurz vor der Abfahrt heraus: „Ich bin nicht bereit, den Zug zu starten.“ In den Waggons gibt es keinen Zentimeter freien Platz mehr. Die Passagiere sind in der Mehrzahl Flüchtlinge, die nach Wien und dann nach München reisen wollen. Es sind vor allem Syrer, die wegen der Ankündigung der deutschen Regierung, alle syrischen Migranten in Deutschland aufzunehmen, in Aufbruchsstimmung sind. Der Schaffner wettert: „Bei so vielen Menschen in den Waggons haben wir keinen keinen Zugriff auf die Brandlöscher, weshalb die Fahrt nicht sicher wäre. Man kann sich vor lauter Menschen im Zug nicht mehr bewegen!“

Am vergangenen Wochenende erreichte die Flüchtlingswelle nach Ungarn, die vor allem aus dem südlichen Nachbarland Serbien seit Monaten kommt, einen neuen Höhepunkt. Am Samstag und Sonntag wurden knapp 8800 Flüchtlinge insbesondere an ungarisch-serbischen Grenze aufgegriffen, darunter auch viele Kinder. So viele Grenzübertritte wurden an einem Wochenende bisher noch nicht gezählt.

Entlang des Railjet-Zuges sind neben ungarischen Polizisten auch österreichische Sicherheitsbeamte zu sehen. Angesichts des Ansturms von Flüchtlingen auf den Zug wirken sie aber hilflos. Immer wieder versuchen sie, die Menschen daran zu hindern, den Zug zu besteigen. Als diese ihnen aber ihre gültigen Tickets zeigen, sagen sie nur noch resigniert: „Go, go!“

Streit zwischen Ungarn und Frankreich

Dass die Flüchtlinge mit ihrer Situation in Ungarn unzufrieden sind, haben sie in den vergangenen Wochen und Monaten wiederholt artikuliert. Nachdem es schon im Flüchtlingslager der ostungarischen Stadt Debrecen und im Auffanglager bei der Ortschaft Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze wegen der angeblich schlechten Versorgung zu Aufruhr und Unruhen gekommen war, gab es am Budapester Keleti-Bahnhof am Wochenende neuerlich Unmutsbekundungen von aufgebrachten Flüchtlingen.

Die Regierung von Viktor Orbán schlägt immer härtere Töne an. Kanzleramtsminister János Lázár sagte nun: „Wenn wir keine fundamentalen Schritte setzen, werden wir zu einem Rettungsschiff, das unter der Last derer, die sich an ihm festklammern, untergeht.“ Aus diesem Grund wollte die Regierungsmehrheit im Parlament ein Gesetz verabschieden, das eine legale Grundlage dafür bietet, im Bedarfsfall militärisch gegen Flüchtlinge vorzugehen. Der 175 Kilometer lange rasierklingenscharfe Nato-Zaun zur Abwehr der Flüchtlinge an der ungarisch serbischen Grenze wurde laut Regierung bereits vor einigen Tagen fertiggestellt.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius übte wegen dieser Maßnahmen scharfe Kritik an der ungarischen Regierung. Budapest reagierte nun verärgert. Die ungarische Regierung hat deshalb am Montag einen Vertreter der französischen Botschaft ins ungarische Außenamt zitiert.

Wie kann das Schengen-System reformiert werden? Diskutieren Sie mit im Themenforum

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

BELGIUM EU COMMISSION EFSI
Europa

Juncker: 160.000 Flüchtlinge auf EU-Länder verteilen

Streit um Quoten. Kommission will nächste Woche einen neuen Vorschlag zur Aufteilung präsentieren. Visegrád-Länder wehren sich.
Cameron in Portugal.
Außenpolitik

Großbritannien will doch mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen

Cameron kündigte an, "mehrere tausend" syrische Flüchtlinge aus Lagern vor Ort aufnehmen zu wollen.
Außenpolitik

Flüchtlinge: Vermutlich 30 Personen vor Libyen ertrunken

Die italienische Küstenwache rettet mehr als 90 Überlebende aus dem Boot. Die meisten der Flüchtlinge kamen aus Somalia, Nigeria und dem Sudan.
Tausende kommen täglich auf den grieichischen Ägäisinseln an.
Außenpolitik

Griechenland: Flüchtlinge prügeln sich um einen Fährplatz nach Piräus

EU-Kommissions-Vertreter fahren am Freitag nach Kos, um sich ein Bild von der angespannten Lage zu machen. Tausende Flüchtlingen warten auf griechischen Ägäisinseln auf eine Weiterreise.
Gegner der Quoten-Lösung treffen einander in Prag
Außenpolitik

Flüchtlinge: Osteuropas Quoten-Gegner beraten sich

In Prag treffen einander heute, Freitag, die Regierungschefs von Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Sie wollen ihre Flüchtlingspolitik abstimmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.