"Dublin"-Regelung in Deutschland offiziell noch gültig

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)APA/EPA/BRITTA PEDERSEN
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Syrer würden "im Regelfall" aber nicht in andere EU-Staaten zurückgeschkt. Deutschland rechnet mit massiv steigenden Sozialausgaben.

Die Bundesregierung hält weiter an den europäischen Asylregeln fest. "Deutschland hat Dublin nicht ausgesetzt", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag in Berlin. Dublin sei sei geltendes Recht. Asylbewerber müssten in dem Land registriert werden, in dem sie die Europäische Union betreten hätten. Wer also nach Ungarn komme, müsse sich vor Ort registrieren lassen und dort das Asylverfahren durchlaufen.

Nach der Weiterreise Tausender Asylsuchender aus Ungarn nach München hatte Österreich von Deutschland Klarheit im Umgang mit den Flüchtlingen gefordert. Die Bundesrepublik müsse deutlich machen, dass das Dublin-Abkommen weiterhin in Kraft sei, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Der Sprecher des Innenministeriums erklärte, aus rein praktischen Erwägungen verzichte Deutschland bei syrischen Asylbewerbern "im Regelfall" auf die Rückführung in andere EU-Staaten. Dabei handle es sich um eine Leitlinie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, "nicht um eine formal bindende Vorgabe".

Sozialausgaben steigen massiv

Die deutsche Regierung rechnet damit, dass zur Deckung der Sozialausgaben für Flüchtlinge und ihre Integration in den Arbeitsmarkt im kommenden Jahr zusätzliche Mittel von 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro nötig sein werden. Diese Kosten würden auf rund 7 Milliarden Euro im Jahr 2019 anwachsen, sagte Sozialministerin Andrea Nahles am Dienstag in Berlin.

In diesem Jahr rechnet Deutschland mit der Aufnahme von voraussichtlich 800.000 Menschen. Angesichts dieser Zahlen schlägt die Bundesagentur für Arbeit (BA) vor, dass Asylwerber künftig auch ohne die sogenannte Vorrangprüfung in Deutschland arbeiten dürfen. Die Regelung, die bisher Deutsche und EU-Bürger bei der Vergabe von Jobs gegenüber Asylsuchenden bevorzugt, solle für zwei Jahre ausgesetzt werden, schlug BA-Chef Frank-Jürgen Weise am Dienstag in Nürnberg vor.

Bayern schickt Flüchtlinge nicht zurück

Nach der Einreise Hunderter Flüchtlinge aus Ungarn über Österreich hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann zugesichert, diese nicht dorthin zurückzuschicken. Die Neuankömmlinge würden in Bayern registriert und in die Aufnahmeeinrichtungen gebracht, sagte Herrmann am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Das sei "selbstverständlich".

Er wisse bisher nicht, warum Ungarn plötzlich den in Budapest wartenden Migranten die freie Weiterfahrt nach Deutschland erlaubt habe. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere und er seien bemüht, rasch von Ungarn zu erfahren, wie es in den nächsten Tagen weitergehen solle.

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Laut dem Dublin-System ist eigentlich dasjenige EU-Land für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig, in dem sie erstmals die Europäische Union betraten. Angesichts des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen lassen Italien, Griechenland und Ungarn, wo die meisten Flüchtlinge in die EU gelangen, die Migranten aber inzwischen weitgehend unkontrolliert weiterreisen.

Am Montag erlaubten die ungarischen Behörden tausenden Migranten, die seit Tagen am Hauptbahnhof in Budapest auf die Weiterfahrt warteten, unkontrolliert in Züge nach Österreich und Deutschland zu steigen. Auch Österreich ließ die Menschen ungehindert weiterreisen. Von 3.650 Menschen stellten lediglich sechs einen Asylantrag, alle anderen stiegen in Züge Richtung Deutschland. Eine "lückenlose" Kontrolle sei derzeit nicht möglich, erklärte Polizeisprecher Roman Hahslinger.

Spezielles Zentrum für Balkan-Flüchtlinge

Bayern eröffnete am Dienstag das bundesweit erste Aufnahmezentrum speziell für Balkan-Flüchtlinge. Angesichts der dramatisch steigenden Asylbewerberzahlen und der Einreise von Flüchtlingen aus Ungarn fordert das Land die Unterstützung aller anderen Bundesländer. "Bayern kann das alleine nicht mehr schaffen", sagte Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) in Manching.

In einer ehemaligen Kaserne am Rande von Manching bei Ingolstadt sollen künftig 500 Flüchtlinge aus Südosteuropa untergebracht werden, die zumeist keinerlei Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland haben.

Insgesamt sollen rund 1500 Balkan-Flüchtlinge im Raum Ingolstadt zusammengefasst werden, und zwar an insgesamt drei Standorten. Alle zuständigen Behörden sollen dort zusammenarbeiten, um die Verfahren deutlich schneller als bisher abwickeln zu können. Ziel ist es, abgelehnte Asylbewerber so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Ein zweites solches Zentrum soll in Bamberg entstehen. Das Münchner CSU-Kabinett hatte mit seinem Beschluss vom Juli bundesweit Kritik auf sich gezogen.

(APA/dpa)

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