So angespannt ist die Lage entlang der Westbalkan-Route

An der Grenze von Mazedonien zu Griechenland.
An der Grenze von Mazedonien zu Griechenland.(c) APA/EPA/VALDRIN XHEMAJ
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Im Minutentakt treffen neue Meldungen zum Flüchtglingsstrom auf dem Balkan ein. Wir fassen die aktuellen Krisenpunkte zusammen.

Viele Flüchtlinge versuchen derzeit von Syrien nach Westeuropa, vor allem nach Deutschland zu gelangen. Nach wochenlangen Meldungen über Krisensituationen in Griechenland, Serbien und Ungarn kam die erste Flüchtlingswelle per Zug aus Ungarn am Montag an. Wir fassen die Situation entlang der Route und auch politisch kurz und knapp zusammen, um einen Überblick zu geben.

Syrien

Der seit viereinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg hat in Syrien bereits die Hälfte aller Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Ein Fünftel der Bevölkerung ist nach Angaben der UNO inzwischen ins Ausland geflohen. Weil diese in den benachbarten Erstaufnahmeländern kaum noch angemessen versorgt werden können und weil sie die Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat angesichts des langen Bürgerkriegs aufgeben, flüchten nun viele nach Europa weiter. Alleine vergangene Woche seien 23,000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Griechenland gelangt, gab die europäische Grenzagentur Frontex bekannt.

Türkei/Libanon

Die ersten Anlaufstationen sind die direkten Nachbarländer. 1,8 Millionen Syrer sind inzwischen in der Türkei gestrandet, 1,1 Millionen im Libanon. In diesen Erstaufnahmeländern leben die Syrer in Zeltstädten und anderen ärmlichen Notunterkünften.  Die Zahl der Syrer, die sich auf die gefährliche Fortsetzung ihrer Flucht Richtung Europa machen, dürfte angesichts der Situation der Binnenvertriebenen und der Lage in den Flüchtlingscamps der Nachbarländer deshalb eher noch anwachsen

Griechenland

Wegen des starken Anstiegs an Flüchtlingszahlen, welche die Ägäis-Inseln nahe der türkischen Küste seit mehreren Wochen verzeichnen, sind die Behörden der Inseln völlig überfordert mit der Versorgung und Unterbringung der Ankömmlinge, die daher vielfach tagelang im Freien übernachten müssen. Mehr als 160.000 Menschen trafen heuer bereits in Griechenland ein.

Am Mittwoch sind mindestens elf Flüchtlinge sind auf der Überfahrt von der türkischen Küste zur griechischen Insel Kos ertrunken. Mehr als 4300 zumeist syrische Flüchtlinge sind unterdessen wieder in der griechischen Hauptstadt Athen eingetroffen. Rund 2500 Flüchtlinge sind am frühen Mittwochmorgen an Bord der griechischen Fähre "Eleftherios Venizelos" in der Hafenstadt Piräus angekommen. Bereits am späten Dienstagabend hatte die Fähre "Tera Jet" mehr als 1700 Migranten nach Piräus gebracht, wie die Küstenwache am Mittwoch mitteilte. Die Schiffe hatten die Migranten aus der völlig überfüllten Insel Lesbos abgeholt.

Die Lage auf der von Migranten überfüllten Ostägäisinsel Lesbos droht außer Kontrolle zu geraten. Die hygienischen Zustände seien katastrophal. Täglich gebe es 10.000 Liter menschliche Exkremente im Hafen des Hauptortes der Insel, Mytilini, wo tausende Flüchtlinge auf eine Fähre zum Festland warten, schrieb der Bürgermeister.

Mazdeonien

Hunderte Migranten haben am Mittwoch erneut stundenlang unter praller Sonne an der griechisch-mazedonischen Grenze auf einen weiteren Schritt in Richtung Westeuropa ausgeharrt. Um chaotische Zustände zu vermeiden, ließen die Behörden die Menschen in Gruppen von rund 50 Menschen die Grenze passieren. Anschließend gingen die Migranten auf mazedonischer Seite in Gevgelija zum Bahnhof und nahmen einen Zug nach Serbien. Vorrang hätten Kinder und Frauen, berichteten Reporter vor Ort im griechischen Fernsehen. 

Serbien

Seit letzter Nacht sei der Flüchtlingszustrom "drastisch" angestiegen, erklärte Ahmet Halimi von der lokalen Organisation des Roten Kreuzes laut der staatlichen Presseagentur Tanjug. In dem Aufnahmelager in Presevo befanden sich laut Halimi am Vormittag etwa 1.000 Flüchtlinge, außerhalb des Lager eine noch höhere Zahl. 

In Serbien sind seit Jahresbeginn rund 115.000 Flüchtlinge registriert worden. Allein am Dienstag hätten sich etwa 7.800 Flüchtlinge im Land aufgehalten, erklärte der serbische Premier Aleksandar Vucic laut der Tageszeitung "Blic" (Mittwochausgabe). Serbien verfolge die derzeitige Flüchtlingssituation in Budapest und Wien mit "großer Besorgnis", erklärte Arbeitsminister Aleksandar Vulin. Serbien befürchtet demnächst eine neue Flüchtlingswelle an seiner Nordgrenze, falls Ungarn und andere EU-Staaten Flüchtlinge zurückschicken.

Ungarn

Trotz des neuen Grenzzauns an der Grenze zu Serbien trafen am Dienstag insgesamt 2284 neue Flüchtlinge in Ungarn ein, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Ungarn hat an der Grenze einen vier Meter hohen, 175 Kilometer langen Zaun gebaut, um die illegale Einwanderung auf der Balkan-Route zu unterbinden. Für viele endet die Flucht derzeit am Budapester Ostbahnhof. Der Bahnhof wurde am Dienstag geräumt und den Flüchtlingen wird nun der Zutritt verwehrt. Die Lage auf dem Vorplatz des Bahnhofes ist prekär, die Menschen demonstrieren für ihre Weiterfahrt nach Österreich und Deutschland.

Österreich

Aufgrund der erneut strikten Polizeikontrollen am Budapester Ostbahnhof kamen am Mittwoch kaum noch Flüchtlinge aus Ungarn in Österreich an. Die Lage auf Österreichs Bahnhöfen sei "sehr ruhig", erklärte Michael Braun, Pressesprecher der ÖBB. Die vergangene Nacht verbrachten etwa 200 Menschen am Wiener Westbahnhof und Salzburger Hauptbahnhof. Sie wurden vom Roten Kreuz und der Caritas betreut. Am Montag hatten die ungarischen Behörden überraschend kurzzeitig tausenden Migranten erlaubt, in Züge Richtung Österreich und Deutschland zu steigen.

Österreichs Polizei versucht vor allem massiv gegen Schlepper vorzugehen. Erst in der Nacht auf Dienstag wurde ein Lkw gestoppt und 24 Flüchtlinge aus Afghanistan wurden befreit. Der festgnommene Schlepper verweigert die Aussage. Die Polizei geht von einer "hochgradig organisierten" Bande aus.

Deutschland

Die Zahl der in Deutschland eintreffenden Flüchtlinge und Asylwerber hat im August erstmals in einem Monat die Marke von 100.000 überschritten. Am Mittwoch kamen kaum mehr Flüchtlinge an. Die deutsche Bundespolizei am Münchner Hauptbahnhof sprach von lediglich 50 Flüchtlingen; in Rosenheim waren es am Vormittag 60 bis 70. Man rechne damit, dass es den ganzen Tag über ruhig bleibe, sagte ein Sprecher.

Am Dienstag waren in München noch 2400 Flüchtlinge per Zug angekommen, in Rosenheim 300. Diese waren zuvor von Budapest aus per Zug durch Österreich nach Deutschland gereist.

Soll Österreich die Flüchtlinge aus Ungarn unkontrolliert nach Deutschland durchreisen lassen?

(Red./Ag.)

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