USA/Iran: Politisches Nachspiel um Atomdeal

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In Washington sind die Fronten nach intensivem Lobbying geklärt. In Teheran ist der schwelende Machtkampf zwischen Moderaten und Hardlinern offen ausgebrochen.

Wien/Washington/Teheran. Eine Sorge ist Barack Obama los, ehe er heute im Weißen Haus den saudischen König Salman empfangen wird, einen der vehementesten Gegner des Atomdeals mit dem Iran. Die Ankündigung der demokratischen Senatorin Barbara Mikulski, dem Nuklearabkommen zuzustimmen, machte den Versuch der republikanischen Mehrheit im Kongress zunichte, den Vertrag für null und nichtig zu erklären. Mikulskis Stimme erfüllt das Quorum einer Sperrminorität in einer der beiden Parlamentskammern, die dem US-Präsidenten das Vetorecht verleiht – und damit die Möglichkeit, die sicher scheinende Ablehnung des Pakts durch die Republikaner aufzuheben.

Der Erklärung der Senatorin aus Maryland ging ein Gerangel hinter den Kulissen voraus. Der Kongress hatte Obama ein Mitspracherecht über den Atomdeal von Wien abgerungen, und beide Lager wurden in der Sommerpause nicht müde, Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. In einer Reihe von Reden und später aus seinem Urlaubsort auf der Insel Martha's Vineyard betrieb der Präsident via Telefon intensives Lobbying.

Auf der Gegenseite warfen auch die Gegner, voran Israels Premier Benjamin Netanjahu, ihr ganzes Gewicht in die Waagschale der Propagandaschlacht. Mit einigem Erfolg: Zwei führende demokratische Senatoren, Chuck Schumer und Roberto Menendez, verweigerten Obama demonstrativ ihre Gefolgschaft. Für einen Umschwung bei den Demokraten war dies jedoch zu wenig.

Warten auf Machtwort Khameneis

Neben Netanjahu hatte sich der verstorbene saudische König Abdullah als deklarierter Kritiker der Politik der Öffnung Washingtons gegenüber Teheran profiliert. Sein Nachfolger Salman brüskierte den US-Präsidenten, als er im Frühjahr eine Einladung für ein Treffen der Staatschefs der Golfstaaten nach Camp David ausschlug. Bei dem Gespräch im Weißen Haus geht es jetzt darum, die Irritationen auszuräumen, die die wankelmütige US-Politik seit Ausbruch des Arabischen Frühlings in Saudiarabien ausgelöst hat, und das Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Verbündeten wiederherzustellen.

Während in den USA die Fronten im Atomstreit geklärt sind, ist im Iran der schwelende Machtkampf zwischen den moderaten Kräften um Präsident Hassan Rohani und den Hardlinern offen ausgebrochen. Hatte Rohani erst kürzlich die Ansicht vertreten, der Atomdeal erfordere keine Abstimmung im iranischen Parlament, so fuhr ihm der Oberste Geistliche Führer nun in die Parade. In einem Treffen mit dem von Konservativen dominierten Expertenrat plädierte Ayatollah Ali Khamenei für ein Votum im Majlis, dem Parlament in Teheran, in dem die Hardliner das Sagen haben. Der Revolutionsführer sprach damit ein Machtwort, eine Wahlempfehlung wollte er vorerst aber nicht abgeben. Bei den Atomverhandlungen hatte sich Khamenei noch auf die Seite Rohanis und des Außenministers Mohammad Javad Zarif geschlagen.

Antiamerikanische Töne

Nun ließ er allerdings mit antiamerikanischen Tönen aufhorchen und konterkariert so die beiden Galionsfiguren eines vorsichtigen Reformkurses. Einer Kooperation mit den USA in Syrien und im Irak – ein Nebeneffekt der Öffnung, so die Hoffnung in Washington – erteilte er eine dezidierte Absage. Zudem drängte er erneut auf eine umgehende Aufhebung der Sanktionen, was im Gegensatz zu der Einigung im Atomstreit steht, die in Abstimmung mit den Kontrollberichten der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde lediglich eine schrittweise Lockerung der Strafmaßnahmen vorsieht.

Nachdem es eine Weile ruhig um sie geworden war, haben sich die Hardliner zuletzt verstärkt zu Wort gemeldet. In der Manier eines Gralshüters der Revolution brandmarkte Ayatollah Mohammad Yazdi die USA ungeachtet der Annäherung als „Feind Nummer eins“, der die Kontrolle der iranischen Wirtschaft anstrebe. Im Lager der Ultrakonservativen paaren sich antiamerikanische Parolen stets auch mit antiisraelischen, und so schwadronierte der Chef der Revolutionsgarden wieder einmal von der Vernichtung Israels und der „Befreiung“ Palästinas. Selbst Rohani und Zarif lassen sich mitunter zu antizionistischen Äußerungen hinreißen.

Auf der anderen Seite sprach sich Außenminister Zarif, selbst ein Nutzer von Twitter, für die Öffnung der sozialen Netzwerke aus. Nach dem Atomdeal war er zu einer diplomatischen Charmeoffensive in mehrere Golfstaaten aufgebrochen, um Ängste vor der neuen Stärke Teherans zu zerstreuen. Ex-Präsident Ali Akbar Rafsanjani, einer der grauen Eminenzen des schiitischen Gottesstaats und ein Mentor der Reformer, kündigte indessen seine Kandidatur für den wichtigen Expertenrat an. Im Zuge der Wiedereröffnung der britischen Botschaft in Teheran trat der 81-Jährige jüngst für einen ähnlichen Schritt der USA ein, was 36 Jahre nach der Besetzung der US-Vertretung einer Sensation gleichkäme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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