Frankreich nimmt Deutschland 1000 Flüchtlinge ab

Am Bahnhof in München kamen rund 20.000 Flüchtlinge am Wochenende an.
Am Bahnhof in München kamen rund 20.000 Flüchtlinge am Wochenende an.(c) APA/EPA/SVEN HOPPE
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20.000 Menschen erreichten am Wochenende München. Präsident Hollande bot Hilfe an. Deutschland erhöht seine Flüchtlingshilfe im Haushalt 2016 massiv. Dänemark will mehr Asylwerber aufnehmen.

Am Münchner Hauptbahnhof sind am Wochenende deutlich mehr Flüchtlinge aus Ungarn via Österreich angekommen als erwartet. Man gehe allein für den Sonntag von 13.000 aus, sagte Simone Hilgers, Sprecherin der Bezirksregierung von Oberbayern, am späten Sonntagabend in München. Zusammen mit den 6900 am Samstag gekommenen Flüchtlingen bedeutet das die Ankunft von fast 20.000 Menschen binnen 48 Stunden.

Frankreich will helfen: Staatschef Francois Hollande sagte am Montag bei einer Pressekonferenz im Pariser Élysée-Palast, er habe der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel angeboten, rund Tausend Flüchtlinge aufzunehmen. Diese sollten "in den kommenden Wochen" nach Frankreich kommen.

"Wir können nicht Deutschland diese Solidarität und Verantwortung alleine übernehmen lassen", sagte Hollande. Neben der freiwilligen Aufnahme bei einer Verteilung von Flüchtlingen sei aber auch ein "dauerhafter und verpflichtender Mechanismus" in der EU nötig, betonte Hollande. Dafür hatten er und Merkel sich bereits vergangene Woche stark gemacht.

Österreich hat noch keine endgültigen Zahlen bekanntgegeben, wie viele Menschen am Wochenende von Ungarn via Österreich nach Deutschland gereist waren, die in Deutschland genannten zahlen dürften aber in etwa mit den östereichischen Zahlen übereinstimmen. Ein Innenministeriums-Sprecher sprach von 15.000. Lediglich 90 Personen davon haben nach Angaben der "Zeit im Bild" einen Asylantrag gestellt. Das Ministerium bestätigte diese Zahl. 

Bayern an Kapazitäts-Grenze

Das der Strom abreißt ist nicht zu erwarten. Die ungarische Polizei hat von Freitag bis Sonntag landesweit 5.386 Flüchtlinge aufgegriffen, berichtete die Ungarische Nachrichtenagentur (MTI) am Montag. Am Freitag waren es 2181, am Samstag 1002 und am Sonntag 2203. Die meisten von ihnen kamen über die Grenze zu Serbien im Raum Röszke. In dem dortigen neuen Sammellager sollen sich laut Staatsfernsehen 500 illegale Einwanderer befinden.

In Deutschland wurden die Schutzsuchenden zum Teil in München und Bayern untergebracht, zum Teil auch in andere Bundesländer weitergeleitet. "Unsere Kapazitäten schwinden. Wir kommen an unsere Grenzen, und zwar sehr deutlich", sagte Hilgers zur Organisation der Unterbringung.

Für den heutigen Montag rechnet die Regierung von Oberbayern mit bis zu 10.000 neuen Flüchtlingen. Allein am Vormittag und Mittag seien drei Sonderzüge aus Österreich mit 2100 Menschen geplant, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand am Montag in der Früh auf dem Münchner Hauptbahnhof. Er hoffe, dass einige Züge an München vorbei direkt in andere deutsche Bundesländer geleitet werden. "Wir sind hier sehr am Anschlag." Nötig seien auch bessere, grenzüberschreitende Informationen. Etwa zwei Drittel der in den vergangenen Tagen angekommenen Flüchtlinge seien bisher in Bayern untergebracht, sagte Hillenbrand.

Regierung erhöht Flüchtlingshilfe

In Deutschland stellt die Regierung angesichts der Flüchtlingskrise mehr Geld zur Verfügung, verschärft aber die Regeln für Asylbewerber teils deutlich. Die Koalitionsparteien aus Union und SPD verständigten sich bei einem Treffen des Koalitionsausschusses in der Nacht auf Montag darauf, die Flüchtlingshilfe im Haushalt 2016 auf insgesamt sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Gefordert werden in den Maßnahmenpaket auch mehr europäische Solidarität und die stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen.

Für 2016 planen CDU/CSU und SPD drei Milliarden Euro mehr für die Bewältigung der Flüchtlings- und Asylsituation ein. Zudem stellt der Bund Ländern und Kommunen weitere drei Milliarden Euro zur Verfügung. Damit sollen unter anderem 150.000 winterfeste Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. 2015 hat der deutsche Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt. Über die Details der Verwendung wollen sich Bund und Länder in Deutschland bei einem Spitzentreffen am 24. September einigen.

Einzelne EU-Staaten könnten nicht sagen, sie hätten mit dem Thema nichts zu tun, betonte Kanzlerin Merkel. "Das wird auf Dauer nicht tragen. Dann werden andere Gedanken Überhand gewinnen", sagte sie auf die Frage, ob EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten, Sanktionen drohen. Sie hoffe auf Einsicht nach der Rede des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker am Mittwoch.

Sachleistungen statt Bargeld für Asylwerber

Die Unterstützung für Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen wollen die Koalitionspartner von Bargeldzahlungen auf Sachleistungen umstellen. Damit will die Koalition "Fehlanreize beseitigen". Die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer soll um die Balkan-Staaten Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden, wobei eine gemeinsame Liste auf EU-Ebene angestrebt wird. Im Gegenzug soll die legale Einwanderung vom Westbalkan erleichtert werden. Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen. 

Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen in Deutschland grundsätzlich in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen. Die Höchstverweildauer für Flüchtlinge dort soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Solange soll auch wieder eine Residenzpflicht gelten. Umgekehrt soll die Integration von Flüchtlingen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wird, verbessert werden. Auch soll es legale Einwanderungsmöglichkeiten für Menschen aus dem westlichen Balkan geben.

EU-Plan: 3640 Flüchtlinge nach Österreich

Im Zuge der geplanten Aufteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen unter den EU-Staaten soll Deutschland nach dem Willen der EU-Kommission 31.443 Einwanderer aufnehmen. Das verlautete am Montag aus Brüsseler Diplomatenkreisen. Österreich soll, wie bereits am Wochenende bekannt wurde, zusätzlich 3640 Flüchtlinge aus Italien, Griechenland und Ungarn aufnehmen.

Deutschland soll demnach ein Viertel der Gesamtzahl der Flüchtlinge übernehmen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker will am Mittwoch seinen Plan für verbindliche Quoten offiziell vorstellen.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán lehnt die von der Europäischen Union vorgeschlagene Regelung für verbindliche Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen weiterhin ab, sagte Orban am Montag vor ungarischen Diplomaten.

Dänemark will mehr Asylwerber aufnehmen

Dänemark ist zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge bereit. "Wir sind kein Teil der europäischen Flüchtlingspolitik, aber wir sind ein Teil Europas. Deshalb müssen wir handeln", sagte der dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen. Deutschlands Entscheidung, seine Grenzen zu öffnen, habe auch mehr Menschen nach Dänemark gebracht, sagte Rasmussen. Rund 400 Flüchtlinge, die seit Sonntag mit Zug und Fähre aus Deutschland gekommen seien, würden in Dänemark registriert, auch wenn sie nach Schweden weiterreisen wollten. Medienberichten zufolge kommen viele aus Syrien.

Die Minderheitsregierung von Rasmussens liberaler Partei Venstre war im Juni auch mit dem Wahlversprechen an die Macht gekommen, den Andrang von Flüchtlingen durch strengere Asylregeln kontrollieren zu wollen. Sie wird von der Dänischen Volkspartei unterstützt.

Abschreckende Kampagne in arabischsprachigen Zeitungen

Die Regierung hatte am Montag abschreckende Anzeigen in einigen libanesischen Tageszeitungen (drei arabischsprachigen Blättern und eine englischsprachige Publikation) geschaltet. "Dänemark hat sich entschieden, die Bestimmungen für Flüchtlinge zu verschärfen", heißt es in dem Text des zuständigen Ministeriums für Einwanderung in den Montagsausgaben der Blätter. Die Gelder seien für neu ankommende Flüchtlinge um "bis zu 50 Prozent" gekürzt worden. Inhaber einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung hätten im ersten Jahr kein Anrecht auf Familienzusammenführung.

Um in Dänemark zu bleiben, müssten die Migranten und Flüchtlinge Dänisch verstehen und sprechen können, heißt es weiter. Wer keine Aufenthaltsgenehmigung bekomme, werde "schnell" abgeschoben.

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(APA/AFP/dpa/Reuters/Red.)

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