Iran-Visite: "Wir müssen mit jedem reden"

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In Teheran freute sich die österreichische Delegation unter Führung Heinz Fischers über Wirtschaftsdeals im Wert von 80 Millionen Euro. Außenminister Kurz schlug einen Schulterschluss mit Syriens Diktator Assad gegen den IS vor.

Teheran. Die ehemalige Schah-Residenz, eine weitläufige, von Platanen gesäumte Anlage im Norden Teherans am Fuß des Elburs-Gebirges, hatte sich herausgesputzt für das Staatsoberhaupt aus Wien. Vor dem Saadabad-Palast legte eine Kohorte letzte Hand an für den Empfang Heinz Fischers durch Hassan Rohani, seinen iranischen Gastgeber. Da zupften die einen am roten Teppich und kehrten mit Strohbesen Staubpartikel weg, da polierten die anderen das Messing blank und besprengten den Rasen. Die Ehrenformation, Repräsentanten aller Waffengattungen der iranischen Streitkräfte, hatte mit aufgepflanztem Bajonett Aufstellung genommen, und ein eilfertiger Helfer wischte über die weißen Stiefel, während die Militärmusik zur Probe die österreichische Nationalhymne intonierte.

Fischer als Eisbrecher

Das Protokoll der Islamischen Republik hatte alles aufgeboten für den Besuch des ersten Präsidenten aus dem westlichen Ausland seit mehr als einem Jahrzehnt. Unter dem Geleitschutz von sechs Soldaten hoch zu Ross mit hochgereckter Standarte fuhr die Limousine Fischers vor. Zur Begrüßung setzte Rohani die gewohnt freundliche Miene auf, seine halbe Regierung mit Außenminister Mohammad Javad Zarif an der Spitze stand Habt acht – ein Tribut an die Gastfreundschaft Österreichs bei den Atomgesprächen vor zwei Monaten in Wien, wie Rohani später explizit betonte. Unter den iranischen Kameraleuten und Fotografen war das Gedränge so groß, dass sich einer die Stirn blutig schlug.

Der Zwischenfall am Rande sollte der einzige Augenblick sein, der die amikale Atmosphäre störte. Bei der Unterzeichnung mehrerer Absichtserklärungen für die Zusammenarbeit zwischen Wien und Teheran im Wert von 80 Millionen Euro trug Zarif unter dem Applaus Fischers ein strahlendes Antlitz zur Schau. Das Gespräch mit den Besuchern aus Wien, mit Fischer, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz, war für ihn eine willkommene Abwechslung zum Kreuzverhör zum Atomabkommen im Majlis, dem iranischen Parlament. Tag für Tag grillen die radikalen Kräfte ihn und seine Vizeaußenminister dort. Jede Visite, jeder Ministerbesuch, jede Wirtschaftsdelegation stärkt dagegen die moderaten Kräfte um Rohani und Zarif im hinter den Kulissen schwelenden Machtkampf mit den Hardlinern. Vor der Parlamentswahl im Februar hat der Wahlkampf bereits eingesetzt.

Fischers Programm in Teheran war durchgetaktet: Innerhalb von 24 Stunden traf er mit allen maßgeblichen Persönlichkeiten des Regimes zusammen. Es begann am Dienstagvormittag mit Rohani, endete am Abend mit Ayatollah Ali Khamenei, dem abgeschotteten geistlichen Führer. Zwischen solchen Veteranen der islamischen Revolution, wie dem Parlamentspräsidenten Ali Larijani und dem Ex-Präsidenten Ayatollah Ali Rafsanjani, der grauen Eminenz und einem Mentor Rohanis, bot sich ihm das gesamte politische Spektrum dar. „Das Ende der Isolation wird dem Iran guttun“, gab sich Kurz optimistisch.

„Es geht um einen Vorsprung“

Trotz mancher Kritik hat sich die österreichische Delegation unisono glücklich über den Zeitpunkt der Reise gezeigt, da im Westen eine Konkurrenz um Milliardenaufträge im Iran entbrannt ist und zeitgleich die Spanier und Tschechien um die Gunst der Machthaber in Teheran buhlen. „Es geht um einen Informationsvorsprung und einen organisatorischen Vorsprung“, erklärte Mitterlehner in der Hoffnung auf eine „Win-win-Situation“. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl pries die neue Dynamik.

Zwischendurch eröffnete Fischer dann auch ein Wirtschaftsforum, zu dem sich fast 1000 Teilnehmer aus dem Iran und aus Österreich angesagt hatten, um die Geschäftsmöglichkeiten nach einer allfälligen Aufhebung der Sanktionen zu sondieren. Nach den Jahren der politisch-ökonomischen Eiszeit, die die Inflation in die Höhe getrieben und die Währung in den Abgrund gerissen hat, lechzt das 80-Millionen-Volk nach Investitionen und einer Modernisierung der teilweise maroden Infrastruktur. Und die Iraner sehnen sich nach Öffnung und Liberalisierung, wie Rohani sie ihnen bei seiner Wahl im Juni 2013 verheißen hat. Das Atomabkommen hat die Iraner in Euphorie versetzt, es hat Hoffnungen geweckt und so die Führung unter Druck gesetzt.

Für seine Gäste hatte der iranische Präsident außenpolitisch eine positive Botschaft parat, als er mit der Formel „Im Namen des Erhabenen“ zu seinen Ausführungen anhob. In der Frage der Menschenrechte hat sich die Situation zwar eher verschlechtert – die Zahl der Hinrichtungen hat heuer sogar zugenommen. Im Syrien-Krieg hat er jedoch – verklausuliert und vage – eine mögliche Friedensinitiative durchblicken lassen, wie sie zurzeit auch Russlands Präsident Wladimir Putin offenbar in Abstimmung mit dem Iran, der Schutzmacht des Assad-Regimes in Damaskus, in Erwägung zieht. Als Priorität nannte Rohani ein Ende des Blutvergießens, eine Rückkehr zur Stabilität und eine Heimkehr der vom Bürgerkrieg Vertriebenen, die momentan auch Europa vor ein Dilemma stellen. „Es geht nicht darum, bestimmte Personen zu unterstützen. Das Volk muss das Recht haben, über seine Zukunft zu bestimmen.“ Dies lässt sich als eine Abkehr von Bashar al-Assad interpretieren.

Zugleich forderte Rohani bei der Vermittlungsaktion Unterstützung „von allen Seiten“ ein, inklusive der Regionalstaaten und der EU. „Der Iran wird mit jedem an einem Tisch sitzen, wir werden mit jedem reden“, versprach er – und bezog, wiewohl nicht ausdrücklich erwähnt, auch die USA ein. Ein moralischer Appell beschloss sein Plädoyer: „Das ist unsere internationale, humane, islamische Pflicht.“

Auch Spanier buhlen um Assad

In seiner Unterredung mit Fischer kritisierte der iranische Präsident die Fokussierung des Westens auf Assad. Inzwischen zeichnet sich immer deutlicher eine Einbindung des syrischen Diktators in eine politische Lösung samt Waffenstillstand ein, wie sie der spanische Außenminister García-Margallo bei seiner Teheran-Visite vertreten hat.

„Wir müssen mit allen einen Schulterschluss im Kampf mit dem IS-Terror suchen“, urgierte Sebastian Kurz. Im Sinn Rohanis trat auch er für eine Kooperation mit dem Assad-Regime gegen die Jihadisten ein, was nicht nur bei den Grünen für Irritationen sorgte.

Im Fall Assad schickt sich der Westen an, aus dem Paria einen Partner, zumindest auf Zeit, zu machen – wie zuletzt bei dessen iranischen Schirmherren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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