Iran: Rot-weiß-Rote „Geschäfte mit gutem Gewissen“

BP FISCHER IM IRAN: KURZ / ZARIF
BP FISCHER IM IRAN: KURZ / ZARIF(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Plötzlich ist der Iran ein riesiger Hoffnungsmarkt. Österreichische Unternehmen loten im Windschatten des Staatsbesuchs ihre Chancen aus. Das Potenzial ist groß.

Teheran. Nach dem Sturz des Schah ist Hossein Gharib mit seinen Eltern aus dem Iran nach Österreich ausgewandert, als Unternehmer ist er vor zehn Jahren zurückgekehrt. Mit seiner Pharmafirma Sinapharm hat er eine Marktnische entdeckt, gerade erst hat er ein Forschungsprojekt mit der Universität Teheran abgeschlossen. Die Konkurrenz aus China und Indien, die nach der Verhängung der Sanktionen in ein Vakuum vorgestoßen ist, hat Gharib aus dem Feld geschlagen: „Es zählt die Qualität.“ Seine iranischen Wurzeln haben ihm einen Startvorteil gesichert. „Es gibt hier große Chancen, man muss das Potenzial nutzen“, sagt er am Rande des Wirtschaftsforums in Irans Hauptstadt, das die Wirtschaftskammer (WKO) organisiert hat.

Vom Andrang war WKO-Chef Christoph Leitl selbst überrascht. 300 Unternehmensvertreter aus Österreich – darunter OMV-Chef Rainer Seele und Ex-ÖIAG-Aufsichtsratspräsident Siegfried Wolf –, die im Schlepptau von Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz im Zuge des Teheran-Besuchs gekommen sind, und knapp 700 iranische Wirtschaftstreibende haben daran teilgenommen. „Österreich hat einen Sympathiebonus“, schwärmt Leitl. Und auch Fischer pries – ganz Patriot – das Gütesiegel „made in Austria“ und österreichisches Know-how.

Verfünffachung der Exporte

Nach dem Atomabkommen im Juli hat geradezu ein Wettlauf nach Teheran eingesetzt, um das Terrain aufzubereiten. Es gilt, sich für die Zeit nach der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran frühestens zu Beginn des kommenden Jahres in Position zu bringen. Frankreich etwa habe sich als Interessenvertreter der Saudis wegen seines lange währenden Widerstands gegen ein Atomabkommen die Sympathien im Iran verscherzt, heißt es. „Es gilt, Strukturen aufzubauen, einen Informations- und Organisationsvorsprung zu erlangen“, erklärt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Bis 2020 gab er das Ziel einer Verfünffachung des Exportvolumens aus – von derzeit 214 Mio. Euro auf eine runde Milliarde. Die Importe aus dem Iran nach Österreich belaufen sich gar nur auf 19 Mio. Euro – in der Hauptsache Teppiche und Pistazien. Im Bereich Wissenschaft wurden 13 neue Vereinbarungen unterzeichnet.

Allerdings mahnt der Vizekanzler angesichts der Bonanza, der grassierenden Goldgräberstimmung in den westlichen Industriestaaten: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis.“ Wer im Iran bereits geschäftlich aktiv sei, sei klar im Vorteil gegenüber Newcomern, die erst jetzt dazustoßen. Nach dem Platzen des lukrativen Deals bei der Erschließung des riesigen South-Pars-Gasfelds 2007 hat sich die OMV deshalb auch nicht ganz aus dem Iran zurückgezogen. Sie unterhielt weiterhin ein Büro in Teheran. Das Geschäft mit Öl und Gas verspricht die höchsten Profite, ist aber auch das heikelste.

Als Schlüssel für die Geschäftsentwicklung nennt Mitterlehner den Ölpreis, der nach unten gerasselt ist. „Es fehlt im Land an Liquidität“, klagen österreichische Unternehmer unisono. Das Embargo hat de facto das Ende des internationalen Zahlungsverkehrs mit dem Iran bewirkt. Auf ausländischen Konten sind jedoch laut Schätzungen 100 Mrd. Dollar eingefroren, die bei Aufhebung der Sanktionen mit einem Schlag für die dringend notwendige Modernisierung der Infrastruktur bereitstünden. Die Industrieanlagen sind völlig veraltet, in Teheran ragen Kräne über Bauruinen in den Himmel.

Zugleich weiß Mitterlehner um die Bedeutung von Memoranden, von Absichtserklärungen: „Wenn wir diese nicht abschließen, machen andere das Geschäft.“ Als ausgesprochen positiv bewertet er daher auch die Tatsache, dass die sogenannte „Gemeinsame Kommission“, die eine künftige Kooperation bei Geschäftsfeldern ins Auge fasst, ihre Arbeit wieder aufgenommen hat.

Der Tiroler Helmut Fassl etwa hat sich im Iran als Marktführer bei Kläranlagen etabliert. Im Ölhafen Bandar Abbas am Persischen Golf zog er einen Auftrag für eine Entsalzungsanlage an Land. „Die Region hat die vielleicht besten Perspektiven weltweit“, meint er. „Große Lösungen, große Projekte“, ist Fassls Motto. Die Wasserknappheit hat sich zum umfangreichsten Problem ausgewachsen, entsprechend groß sind die Chancen für Firmen, die Umwelttechnologie anbieten. In der Vergangenheit hätten sie freilich ins Kalkül ziehen müssen, wegen der Sanktionen die Chancen auf dem US-Markt nicht zu verspielen. „Man kann hier wieder mit gutem Gewissen Geschäfte machen“, lautet das Resümee des Pharmaunternehmers Hossein Gharib. „Man muss sich nicht mehr verstecken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2015)

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