Nordkorea: Kim baut Atombombenarsenal aus

North Korean leader Kim Jong Un gives field guidance during a visit to the construction site of the Paektusan Hero Youth Power Station
North Korean leader Kim Jong Un gives field guidance during a visit to the construction site of the Paektusan Hero Youth Power Station(c) REUTERS (KCNA)
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Das Regime in Pjöngjang hat nach eigenen Angaben seine Atomwaffenproduktion wieder in Betrieb genommen. Südkorea und die USA sind alarmiert.

Peking. Bereits vor mehr als zwei Jahren hatte das Regime in Pjöngjang angekündigt, es wolle seine 2007 stillgelegte Atomanlage Yongbyon wieder in Betrieb nehmen. Das war im April 2013. Doch dann wurde es still um Yongbyon. Und auch wenn US-amerikanische sowie südkoreanische Geheimdienste regelmäßig von Aktivitäten berichteten – bei der Ankündigung des nordkoreanischen Regimes schien es sich eher um Drohgebärden zu handeln. Ernsthafte Hinweise auf eine Wiederinbetriebnahme der höchst umstrittenen Anlagen gab es keine.

Nun geht es aber Schlag auf Schlag – zumindest offiziellen Angaben zufolge. Am Dienstag verkündete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA, Nordkorea habe alle Anlagen für die Atomwaffenproduktion in Yongbyon modernisiert und wieder in Betrieb genommen. Dazu gehörten auch der Fünf-Megawatt-Reaktor, eine Wiederaufarbeitungsanlage und eine weitere Anlage zur Anreicherung von Uran, aus dem waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann. Zitiert wird der Leiter des Atomforschungsinstituts, der unverhohlen davon sprach, „kontinuierlich die Qualität und Quantität der nuklearen Abschreckung Nordkoreas“ verbessert zu haben. Sein Land sei bereit, „Feindseligkeiten der USA jederzeit mit Nuklearwaffen zu begegnen“.

Südkorea befürchtet Raketentest

Wenige Stunden zuvor hatte KCNA bereits gemeldet, dass der Bau eines neuen Satelliten kurz vor der Fertigstellung sei. Er könne schon bald ins All geschossen werden. Damit will das Regime suggerieren, dass ein weiterer Abschuss einer Langstrecken-Rakete unmittelbar bevorstehe. Experten in Südkorea befürchten, dies könne am 10. Oktober geschehen – als Geburtstagsgeschenk quasi. Denn an diesem Tag begeht Nordkoreas Regime den 70.Jahrestag der Gründung der herrschenden Arbeiterpartei.

Südkoreas Regierung zeigte sich am Dienstag entsprechend alarmiert. Das Verteidigungsministerium in Seoul warnte vor einer „ernst zu nehmenden militärischen Bedrohung“. Die USA verurteilten das Vorgehen als eine „klare Verletzung der UN-Resolutionen“. Sie verbieten Nordkorea seit 2006 jegliche Nutzung von ballistischer Raketentechnologie. Nordkorea hat in den vergangenen Jahren allerdings bereits zwei Mal Raketen ins All geschossen – eine zerschellte nur wenige Sekunden nach dem Start, die andere jedoch gelangte erfolgreich ins All.

Die Atomanlage in Yongbyon stand allerdings jahrelang still. Und auch jetzt gibt es Zweifel, ob sie wirklich wieder in Betrieb ist. Viele der Geräte sind veraltet. China und Russland, einst Verbündete von Nordkorea, tragen die UN-Sanktionen mit. Von ihnen kommt keine technische Unterstützung mehr. In den 1960er-Jahren hatte die damalige Führung in Pjöngjang mit sowjetischer Hilfe die Anlage errichten lassen – damals noch in friedlicher Absicht.

Bereits in den 1970er-Jahren gelang es dem Regime unter Kim Jong-uns Großvater, den Reaktor auf hoch angereichertes Uran umzustellen. Etwa in dieser Zeit baute Pjöngjang einen zweiten Reaktor, der auch waffenfähiges Plutonium erzeugen konnte. Doch erst in den 1980er-Jahren dämmerte der Weltgemeinschaft: Nordkorea baut an einer eigenen Atombombe.

Nachdem 2003 Nordkorea offiziell aus dem Atomwaffensperrvertrag austrat und im Oktober 2006 unterirdisch drei Atombomben testete, verhängte der UN-Sicherheitsrat Strafmaßnahmen gegen das ohnehin weitgehend isolierte und wirtschaftlich verarmte Land. Die Sanktionen wirkten: Der damalige Diktator Kim Jong-il, der Vater des jetzigen Machthabers Kim Jong-un, versprach im Februar 2007 die Schließung der Atomanlage in Yongbyon. Im Gegenzug erhielt er die versprochene Wirtschaftshilfe.

Material für zahlreiche Sprengköpfe

Doch seit Kim Jong-un das Kommando übernommen hat, verfolgt das Regime wieder das Ziel der atomaren Bewaffnung. Der Federation of American Scientists (FAS) zufolge verfügt Nordkorea aus altem Bestand über 30 bis 50 Kilogramm Plutonium. Zusammen mit dem hochangereicherten Uran könne es sechs bis zehn Atomsprengköpfe bestücken. Sollte Yongbyon tatsächlich wieder in Betrieb sein, kann sich diese Zahl südkoreanischen Experten zufolge in wenigen Jahren mehr als verzehnfachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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