Silvio Berlusconis Seifenoper mit Noemi Letizia

Noemi Letizia
Noemi Letizia(c) AP (Franco Castano))
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Das Liebesleben von Regierungschef Berlusconi wird immer mehr zur Staatsaffäre. Umso nervöser wird der Premier, regelrecht in Panik geriet er, als auch die katholische Kirche zu mehr Zurückhaltung mahnte.

ROM. Den Abend des 26. April, einen Sonntag, verbrachte der italienische Ministerpräsident in einem Restaurant in Casoria, einem bis vor Kurzem weitgehend unbekannten Provinznest nördlich von Neapel. In einer „Stippvisite“ – sein Tross bestand aus acht Staatskarossen – nahm Silvio Berlusconi an der Feier zum 18. Geburtstag von Noemi Letizia teil und beschenkte die junge Blondine mit einem Diamantencollier.

Vier Wochen später weiß jedes Kind in Italien, wo Casoria liegt. „Casoria-Gate“ hat sich mittlerweile zur Staatsaffäre ausgewachsen. Und Silvio Berlusconi, der normalerweise die Klaviatur der öffentlichen Meinung perfekt beherrscht, ist so nervös, dass er sogar erwägt, sich im Parlament in der Causa Noemi zu rechtfertigen.

Denn sein kleines Wochenendvergnügen – nur eines von vielen, mit denen sich der 72-Jährige gern öffentlich brüstet – hat nicht nur bei Veronica Lario, seiner Ehefrau, das Fass zum Überlaufen gebracht. Weil er mit „Minderjährigen verkehrt“, reichte sie nach fast 20 Jahren Ehe die Scheidung ein. Dass Berlusconi zudem mehrere ebenfalls sehr blonde und sehr junge sogenannte „veline“, Sternchen aus dem Showbusiness, für die Europawahlen aufstellen wollte, schleuderte sie ihm als „Schamlosigkeit der Macht“ auch noch hinterher.

Schmutzkampagne gegen Lario

Der Gescholtene reagierte auf seine Weise. Lario sei ein Opfer linker Verschwörungstheorien, giftete er, nahm aber einige der jungen Schönheiten wieder von den Listen. Und betrachtete die Angelegenheit als ebenso erledigt wie seinen Ausflug nach Neapel.

Noemi Letizia sei die Tochter seines Freundes Benedetto, der seinerseits seinem mittlerweile verstorbenen Freund, dem Sozialisten Bettino Craxi, als Chauffeur gedient habe. Aus, basta! Doch dieses Mal hat sich Berlusconi verkalkuliert. Zwar ging in seinen eigenen Medien sofort eine Schmutzkampagne gegen Lario los, die es gewagt hatte, Berlusconi öffentlich bloßzustellen. Die unabhängigen Medien aber, allen voran „La Repubblica“, das Flaggschiff der „linken Lügenpresse“, suchen Antworten auf die Frage, was Berlusconi wirklich mit der 18-Jährigen verbindet.

Die hatte die Dummheit besessen, die Öffentlichkeit erst so richtig wild auf die Geschichte zu machen, indem sie verriet, dass sie mit „Papi“ bereits seit Jahren befreundet sei. Wenn er Zeit habe, rufe er sie an, und sie gehe zu ihm. Man singe dann auch gemeinsam Karaoke. „Mon amour, lalala“, zum Beispiel. Die Nation hielt den Atem an, sprengt das doch alles, was man in Italien so gewohnt ist.

Sichtlich nervös trat Berlusconi in der allabendlichen Talkshow „Porta a Porta“ seines Freundes Bruno Vespa auf – und verwickelte sich dort nur in neue Widersprüche. In regelrechte Panik geriet er, als auch die katholische Kirche zu mehr Zurückhaltung mahnte.

Konstante Umfragewerte

Zwar blieben die Umfragewerte, Berlusconis einziger Kompass seiner Politik, vorerst konstant. Doch es stehen Wahlen bevor, die er zur Chefsache erklärt hat. Und die „Lügenpresse“ recherchiert weiter.

Ein Interview verweigerte Berlusconi der „Repubblica“. Die Zeitung behalf sich, indem sie dem Premier öffentlich zehn Fragen stellte. Seit wann er Letizias Vater kenne, und was ihn mit ihm verbinde. Seit wann er Noemi Letizia kenne, und wie oft er sie getroffen habe. Und ob er auch noch andere Minderjährige aufsuche.

Berlusconi schäumte. In einer offiziellen Stellungnahme hieß es, der Premier äußere sich nicht zu Privatfragen. „Die Attacken, die auf einem solch niedrigen Niveau angesichts der bevorstehenden Europawahlen geführt wurden, zeigen, dass es der Zeitung und den hinter ihr stehenden politischen Kreisen an Argumenten fehlt.“

Auch das half nichts. Immer neue Details bringen den Premier in immer größere Verlegenheit. Eine Steilvorlage für die schwache Opposition, die jetzt sogar einen Misstrauensantrag stellen will. Und ein gefundenes Fressen für Zeitungen in der ganzen Welt, die versuchen, ihren Lesern zu erklären, warum sich ein solcher Politiker noch im Amt halten kann. Auch die internationalen Schlagzeilen machen Berlusconi, Gastgeber des bevorstehenden G8-Gipfels, nervös.

Italiens Öffentlichkeit vergnügt sich unterdessen mit immer neuen saftigen Details. Warum er mit einem kleinen Beamten in Neapel befreundet ist, konnte Berlusconi noch immer nicht erklären. Für Craxi hat Benedetto Letizia nie gearbeitet. Und dass Berlusconi ausgerechnet mit ihm über die Kandidatenauswahl für die Europawahlen sprechen wollte, klingt auch nicht sonderlich glaubhaft, zumal er nicht einmal Parteimitglied ist.

Noch weitaus unklarer ist Berlusconis Beziehung zu Noemi Letizia. Ist sie wirklich nur die Tochter eines angeblichen Freundes, seine Geliebte oder vielleicht sogar seine Tochter, wie manche Medien mutmaßen? Anders als von ihm zunächst behauptet, hat sie ihn offenbar nicht nur im Kreise der Familie getroffen.

Auch eine „Praktikantin“

Im November vergangenen Jahres, damals noch minderjährig, nahm Noemi sogar an einem Galadiner des Ministerpräsidenten in Rom teil, an dem das Who is who von Italiens Industrie versammelt war. „Sie heißt Noemi und macht hier ein Praktikum“, soll Berlusconi sie vorgestellt haben. Ein Schelm, wer dabei nicht an Bill Clinton denkt?

Ein Ministerpräsident, der nicht die Wahrheit sagen könne oder wolle, mache die Angelegenheit zu einer politischen, argumentiert die „Repubblica“. Und wiederholt täglich die zehn Fragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2009)

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